OT: Solamente Nero
GIALLO: ITALIEN, 1978
Regie: Antonio Bido
Darsteller: Lino Capolicchio, Stefania Casini, Craig Hill, Massimo Serati
Stefano besucht seinen Bruder Paolo, der einer Inselgemeinde nahe Venedig als Geistlicher vorsteht. In der ersten Nacht nach seiner Ankunft wird eine Frau vor dem Pfarrhaus erwürgt. Don Paolo, der die Tat beobachtet hat, bekommt daraufhin Morddrohungen. Stefano findet heraus, dass das Verbrechen etwas mit einem lange zurückliegenden nicht aufgeklärten Mädchenmord zu tun hat. Und den gilt es jetzt schnellstens zu lösen, denn der Täter von einst macht sich wieder ans Werk ...
KRITIK:Wir erinnern uns: Im Jahr 1976 hat Schauspieler Lino Capolicchio mit identischem Rollennamen schon einmal via Fähre auf eine Insel übergesetzt und ist in einem verhängnisvollen morbiden Giallo gestrandet. So geschehen in Pupi Avatis Meisterwerk THE HOUSE WITH LAUGHING WINDOWS. Ähnliches Ungemach blüht ihm auch in Antonio Bidos Nachfolger zu WATCH ME WHEN I KILL.
Bido. Er hat definitiv THE HOUSE WITH LAUGHING WINDOWS gesehen. War das Debüt noch stark Argento verpflichtet, scheint das Zweitwerk zusätzlich von Avati inspiriert worden sein.
Darüber hinaus hat Bido sein Gespür für Atmosphäre weiter perfektioniert. Diesmal ist es ihm auch abseits der Morde gelungen, kraftvoll düstere Szenen zu kreieren. In diese bindet er die verwinkelten Gassen und Kanäle Venedigs ein; an anderer Stelle auch düstere Kapellen, Jesus-Stauen und einen Friedhof.
Allein die Bildersprache zeugt von einem atmosphärischen Leckerbissen, doch richtig effektiv wird es erst durch den formvollendeten Killerscore. Die Band Transeuropa Express hat für Bidos Erstling mit ihrem Goblin-Sound-alike schon für mächtig Stimmung gesorgt; folgerichtig wollte der junge Regisseur für sein zweites Werk die Originale.
Doch Querelen mit Goblins Plattenfirma verhinderten die Pläne und Stelvio Cipriani (GROSSANGRIFF DER ZOMBIES, DER TOD TRÄGT SCHWARZES LEDER) musste einspringen. Was Cipriani mit seinen abwechslungsreichen (und übrigens von niemand geringerem als eben doch Goblin eingespielten) Kompositionen in BLOODSTAINED SHADOW bewegt, ist absolut bemerkenswert. Stimmiger geht es kaum.
An Cipirani liegt es bestimmt nicht, dass der BLUTIGE SCHATTEN anfangs nicht frei von Längen ist und uns auch nicht mit einer unbeholfenen Liebesgeschichte zwischen dem etwas blassen Capolicchio und der aus SUSPIRIA bekannten Stefania Casini verschont.
Doch nach einem leicht verhaltenen Beginn mausert sich Bidos Zweitwerk in seiner letzten Stunde zum düster-stimmungsvollen Giallo-Geheimtipp, in welchem Juliette Mayniel in der Nebenrolle als mysteriöse Signora Nardi allerdings fast mehr Eindruck als die Hauptdarsteller hinterlässt.
Doch spätestens das Finale, welches die vielen atmosphärischen Highlights von BLOODSTAINED SHADOW mit einer tadellos morbiden Endsequenz krönt und bei welcher Cipriani auf der Tonspur endgültig einen musikalischen Triumphzug startet, merzt dann alle Scharten aus.
Muss man also die nach WATCH ME WHEN I KILL gefasste Meinung über Bido revidieren? Ist er doch nicht nur jemand, der seine Vorbilder gut zu kopieren versteht? Ein schlafender Riese, der für die Spieldauer von BLOOD-STAINED SHADOW kurzfristig erwacht ist?
Nun, mit derlei Prädikaten sollte man nicht allzu inflationär umgehen, doch feststeht, dass der junge Italiener mit diesen 107 Minuten seine Sternstunde erlebt hat. Allerdings war BLOODSTAINED SHADOW zugleich Höhe- und Schlusspunkt seiner Karriere. Bido ist längst in der Versenkung verschwunden und bis dato nicht mehr aus der selbigen aufgetaucht.
Alle Küren am Start: Schwarze Mörderhandschuhe, Drohbriefe und erhängte Puppen. Die letzte Stunde ist Atmosphäre pur. Der Score von Stelvio Cipriani: Killer, Killer, Killer! Bidos Paten Argento und Avati dürfen dem sehenswerten BLOODSTAINED SHADOW High five geben.