GIALLO: BRD/ITALIEN/USA, 1982
Regie: Alberto De Martino
Darsteller: Sarah Langenfeld, Penelope Milford, Michael Moriarty, Martha Smith
Der Amerikaner Dr. Craig Mannings (Michael Moriarty) hat einen Alptraum, in dem er sich erst mit einer Frau in einem festlichen Ballsaal tanzen sieht und diese kurz darauf dort ermordet. Auch später hat er immer wieder erschreckende Visionen von sich, die merkwürdigerweise in Deutschland abzulaufen scheinen.
Langsam gelangt Craig zu der Überzeugung, dass es sich hierbei um reale Begebenheiten handelt. Anscheinend ist er durch ein psychisches Link mit seinem totgeglaubten siamesischen Zwillingsbruder Keith verbinden, der tatsächlich in Deutschland Frauen umbringt. So reist Dr. Craig nach Hamburg um seinen Bruder zu finden und ihn von weiteren Morden abzuhalten...
KRITIK:Ich bin ja ehrlich gesagt nicht gerade mit besonders hohen Erwartungen an diesen (noch nicht offiziell auf DVD erschienen) Film herangegangen. Doch BLOOD LINK aka BLUTSPUR aka EXTRASENSORIAL war eine echte Entdeckung für mich. Tatsächlich ist dies der beste nicht von Dario Argento stammende 80er Jahre-Giallo, den ich bisher gesehen habe. Und inzwischen kenne ich bereits die meisten ...
Der aus dem Jahre stammende BLOOD LINK ist das "Missing Link", das Brian de Palmas SISTERS (1973) und David Cronenbergs DEAD RINGERS (DIE UNZERTRENNLICHEN, 1988) miteinander verbindet. Und wie bei den letzteren beiden Filmen, so handelt es sich auch bei diesem Giallo von Alberto De Martino um eine sehr bizarre Geschichte über zwei (ehemalige siamesische) Zwillingsgeschwister, die irgendwo zwischen Psycho-Drama und Horrorfilm pendelt.
Dabei ist BLOOD LINK insgesamt erstaunlich ruhig gehalten und konzentriert sich wirklich auf die psychischen Implikationen der ungewöhnlichen Verbindung dieser zwei ungewöhnlichen Brüder. Das Ganze geht weit über reine Telepathie hinaus, obwohl natürlich bereits dieser Aspekt für einen Thriller mehr als interessant ist.
Dass ausgerechnet der Regisseur Alberto De Martino so sehr die dramatischen Komponenten seiner Geschichte vertieft, hat mich schon sehr überrascht, hatte ich zuvor von ihm doch nur den Giallo-Copthriller-Hybriden FEUERSTOSS (1976) gesehen. Auch das ist zwar ein wirklich gelungener, und für das Genre ebenfalls sehr ungewöhnlicher Film. Aber ansonsten könnten diese beiden Gialli nicht verschiedener sein. Während FEUERSTOSS locker, lässige, mit vielen coolen Sprüchen garnierte Unterhaltung bietet, ist BLOOD LINK bei allen durchaus vorhandenen Exploitation-Elementen ein durchaus ernsthafter Film.
BLOOD LINK bedient sich sowohl thematisch (SISTERS), als auch visuell eindeutig bei Brian de Palma. So erinnert gerade die Eröffnungsszene stilistisch sehr an OBSESSION. Noch direkter bezieht sich die Ballsequenz jedoch auf SHADOW OF A DOUBT (1943) von Alfred Hitchcock. Auch das Thema des unschuldig Verdächtigten, der um seine Unschuld zu beweisen den wahren Täter aufspüren muss ist ein immer wiederkehrendes Lieblingsthema des Master of Suspense. Aber natürlich verkomplizieren sich die Dinge hier noch weit mehr, da Keith und Craig äußerlich einfach nicht voneinander zu unterscheiden sind.
Aber wer jetzt bereits befürchtet, dass es sich bei BLOOD LINK um einen weiteren Grenzfall des Genres handelt, den niemand als Giallo bezeichnen würde, würde er nicht von einem italienischen Regisseur stammen, so möchte ich in dieser Beziehung gleich noch eine eindeutige Entwarnung aussprechen. Denn trotz aller, zum Teil wirklich subtilen, Psycho-Spielchen, bietet BLOOD LINK auch einige ganz eindeutig gialloeske Szenen. Und auch der im Genre so gern gesehene Sleaze kommt hier keineswegs zu kurz...
Auch handwerklich weiß BLOOD LINK durchaus zu gefallen. Auch wenn hier nicht jede Szene vollkommen durchkomponiert wirkt, so bietet der Film doch einen ganzen Haufen wirklich gelungener Einstellungen. Und dabei geht De Martino erstaunlich differenziert zu Werke.
So wirkt der in den USA spielende Anfang noch reichlich unspektakulär. Doch die Nüchternheit der Inszenierung passt hier zum Charakter des Dr. Craig. Im Gegensatz dazu arbeitet der Regisseur in den Szenen mit Keith oft mit einer fast an Mario Bava erinnernden farbigen Beleuchtung. Ganz eigen und sehr stark sind auch die Szenen, die die titelgebende psychische Verbindung der beiden Brüder zeigt. Untermalt wird das Ganze noch von einem ebenso unaufdringlichen, wie schönen Score von Altmeister Ennio Morricone. - Giallo-Herz, was willst Du mehr?!!!
Alberto De Martinos BLOOD LINK (1982) verbindet Alfred Hitchocks SHADOW OF A DOUBT (1943) und Brian de Palmas SISTERS (1973) mit typischen Elementen des Giallo. Dabei herausgekommen ist eine ganz eigene und sehr überzeugende Mixtur aus Psycho-Drama und Horrorfilm um zwei sehr verschiedene (ehemalige siamesische) Zwillingsbrüder. Der Film ist nicht nur ein kleines vergessenes Juwel, sondern ein echtes Genre-Highlight der 80er Jahre und für mich ein besonders dringender Kandidat für eine noch ausstehende offizielle Veröffentlichung auf DVD.