DRAMA/ACTION: USA, 2006
Regie: -
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Djimon Hounsou, Jennifer Connelly
Anhand der Geschichte eines Fischers, eines Schmugglers und einer Journalistin, die sich gemeinsam durch das vom Bürgerkrieg zerfressene Sierra Leone kämpfen, möchte Edward Zwick den Zuseher wachrütteln: Es gibt - immer noch - Elend, Krieg und Unterdrückung abseits des Irak.
KRITIK:Seit einigen Jahren gibt es "dank" des Irak-Krieges fast nur noch Weltverbesserer auf diesem Planeten. Wie schön zu wissen, dass der amerikanische Präsident dümmer ist als man selbst und wie gut es doch tut, gegen Krieg zu sein und auf die bösen Amerikaner zu schimpfen. Wirklich bescheid wissen über das Thema Irak in Wahrheit die wenigsten. Aber es ist ein massenkompatibles: Erstens glaubt man selber nicht schuld zu sein (die Amis sind's) und zweitens ist auch eine Ursache schnell gefunden: natürlich geht es nur um das Öl. Das versteht jeder, da kann man gut mitschimpfen am Stammtisch.
Natürlich - es ist nicht prinzipiell negativ, wenn große Massen für ein Thema wie Krieg und seine Ursachen sensibilisiert werden. Nein, nicht jeder muss alle Zusammenhänge und Hintergründe verstehen, um mitreden zu dürfen. Aber die aktuelle Situation ist schlicht zu paradox.
Denn auch wenn das Thema Irak natürlich thematisiert gehört, fällt auf der anderen Seite umso mehr auf, dass auf so manch anderen Krisenherd nur allzu "gerne" vergessen wird. Die vielen Konflikte in Afrika sind den Nachrichten immer noch bestenfalls Fußnoten wert. Eine kleine Erwähnung im "Nachrichtenüberblick" direkt nach der Sonderberichterstattung aus dem Irak.
Afrika ist schlicht ein unangenehmeres Thema. Zum Beispiel weil man die Schuld für die ganze (sorry) Scheiße nicht einfach so auf eine bestimmte Person - wie im Falle des Irak George W. - projizieren kann. Schlimmer noch, wenn's um Afrika geht, könnte man herausfinden, dass man gar selbst an der Sache mit schuld ist, völlig egal ob es um Krieg oder Hungersnot geht.
Die Distanz tut ihr übriges dazu - Afrika ist nicht so präsent wie der Irak. Allein der medienwirksam präsentierbare Saddam tat vieles dazu, dass der Irak schon seit Jahrzehnten als Krisenherd im Bewusstsein der Menschen ist. Afrika hat das "Pech", kein an einer einzelnen Person festmachbares, Kronenzeitung-taugliches Feindbild zu haben. Selten wurde dies auch filmisch treffender zusammengefasst wie ich Michael Mann's Collateral, als Taxifahrer Max vom Auftragskiller Vincent befragt wird, was ihn den gar so an der fetten Leiche in seinem Kofferraum stört:
"What do you care? Have you ever heard of Rwanda? Tens of thousands killed before sundown. Nobody's killed people that fast since Nagasaki and Hiroshima. Did you bat an eye, Max?" -"Man, I don't know any Rwandans."
Es kann gar nicht genug Filme wie Blood Diamond geben, die uns Afrika ambitioniert näher bringen wollen - und zwar abseits des klischeehaften Safari-Images. Denn immer noch ist vielerorts in Afrika Bürgerkrieg, Vertreibung, Hunger und der Einsatz von Kindersoldaten der blutige, erschreckende Alltag.
Blood Diamond stellt dies schonungslos dar. Schlachtende Rebellen-Horden ziehen durch Dörfer und töten alles und jeden, der vor ihre Jeeps läuft. An Kindern werden Exempel statuiert und ihnen die Arme abgehackt. Millionen sind auf der Flucht. Ganze Trupps von Kindersoldaten stürmen Dörfer und ziehen eine Spur des Todes.
Selten hat ein Film solche Szenen derart schonungslos gezeigt. Er schreckt auch nicht davor zurück zu zeigen, wie Danny Archer (Leonardo DiCaprio) Kinder töten muss, um selbst am Leben zu bleiben.
Überhaupt hat Edward Zwick einen Film geschaffen, der eine derartige Vielfalt an Themen anschneidet, dass man kaum glauben kann, dass er hier noch eine durchgängige Story hineingebracht hat. Wir haben den Krieg zwischen Regierung und Rebellen (keine Seite einen Deut besser als die andere), wir haben die Entwicklung eines ganz normalen afrikanischen Kindes hin zu einem Killersoldaten, der selbst seinen eigenen Vater erschießen würde, es geht um den Diamantenhandel und wie daraus trotz Handelsboykotts ganze Waffenarsenale für den Krieg aufgekauft werden - und wir sehen auch den Kampf einzelner Personen, die versuchen, einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, den Wahnsinn zu beenden - oder zumindest ihn für so viele Menschen wie möglich erträglicher zu machen. Selbst Korruption innerhalb der vermeintlichen Retter und Beschützer macht Zwick zum Thema.
Zusammengehalten wird dies alles von einer Thriller-artigen Handlung um einen rosaroten Diamanten in der Größe eines Golfballs, der vom zur Minenarbeit gezwungen Solomon Vandy gefunden und - beinahe unter Einsatz seines Lebens - versteckt wird. Der Diamantenschmuggler Danny Archer wird darauf aufmerksam und versucht mit Hilfe der Journalistin Maddy sich den Diamanten anzueignen. Maddy braucht eine Story, Solomon möchte seine ihm von den Rebellen entrissene Familie zurück - ideal für Danny, hieraus Kapital zu schlagen.
In manchen Filmkritiken konnte man über Blood Diamond lesen, es wäre "Zeigefingerkino". Wie weit gefehlt - selten hat ein Film so wenig den Zeigefinger auf etwas bestimmtes gehoben wie Blood Diamond.
Vielmehr stellt er eine erschreckende Ist-Situation dar, wie es sie in den 90ern tatsächlich in Sierra Leone gab - und es sie heute in ähnlicher Form immer noch in vielen Teilen Afrikas gibt. Der Film zeigt vorrangig auf, dass es überhaupt nicht einfach ist, irgendjemanden die Schuld zu geben, dass es schlicht unmöglich ist jemanden herauszusuchen und auf diesen mit dem Finger zu zeigen. Es beginnt bei profitgierigen Unternehmen, bei machtgierigen Regierungen, kriegswütigen Rebellen - und geht über Schmuggler bis hin zum Konsumenten, der zu wenig hinterfragt, wie viel Blut an dem Diamanten klebt, den er sich am Abend um den Hals hängt, nur um schick auszusehen.
Ein - ähnlich wie auch schon Hotel Ruanda - unglaublich wichtiger Film, der in jeder Hinsicht weh tut und einem in vielen Szenen unglaublich hart trifft. Obwohl man weiß, dass es Kindersoldaten gibt, traut man einfach seinen Augen nicht, wenn duzende Kinder im Kollektiv mit Maschinengewehren im Anschlag auf ein Dorf losmarschieren und wahllos wehrlose Menschen töten.
Edward Zwick gehört für diesen Film Respekt gezollt - er vermeidet typische Afrika-Bilder (nur zweimal sind gerade für einen Augenblick wilde Tiere zu sehen) und bringt derart viele Themen in einen Film unter, ohne dabei den roten Handlungsfaden zu verlieren und sich in zu vielen Handlungslinien zu verlaufen. Gleichzeitig scheut er nicht davor zurück, gnadenlose Bilder zu zeigen.
Schauspielerisch gibt es ebenso nichts auszusetzen, DiCaprio beweist einmal mehr, dass er mehr kann als der kitschige "König der Welt" zu sein.
Auch wenn der Film nicht in der Gegenwart spielt, ist er ein unglaublich wichtiges, schonungsloses Beispiel für die erschütternden Probleme, wie sie vielerorts in Afrika vorherrschen. Ein couragiertes Statement in Zeiten, wo man den Eindruck bekommen könnte, der Irak sei das einzige Land, in dem Krieg herrscht. Aus reiner Filmsicht ist es wie schon mehrmals im Review erwähnt, mehr als überraschend, wie geradlinig sich die Handlung entwickelt, obwohl Edward Zwick aberduzende Themen in diesem Film unterbringt. Am Ende ist diese Last trotzdem etwas zu groß, wirkt nicht alles restlos abgeschlossen. Trotzdem ein Pflichtfilm - schockierend, ergreifend und tieftraurig.