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Birdman - 10 Gründe für den Oscar als bester Film

Birdman - 10 Gründe für den Oscar als bester Film

OT: Birdman
TRAGIKOMÖDIE: USA, 2014
Regie: Alejandro González Iñárritu
Darsteller: Michael Keaton, Edward Norton, Emma Stone, Zach Galifianakis, Naomi Watts

STORY:

Ehemaliger Comiverfilmung-Superheld-Hollywoodstar versucht sich am Broadway als "seriöser" Schauspieler ...

KRITIK:

10 Gründe warum Birdman den Oscar als bester Film verdient hat:

1. DIE STORY

Regisseur Alejandro González Iñárritu ist hier wirklich ein großartiger Coup gelungen! Ein sehr mutiges Drehbuch und ein gewagter Schritt von Michael Keaton sich auf dieses Abenteuer einzulassen. Ohne ihn wäre der Film, meiner bescheidenen Meinung nach, nicht das was er nun ist. Die Metaebene hinter dieser Besetzung ist wohl offensichtlich. So wird Riggan Thomson Michael Keaton und Keaton wird zu Thomson. Schließlich wurde Keaton doch selbst durch Batman richtig bekannt und danach wurde es eher ruhiger um den Schauspieler, bis er sich eben nun überragend zurückmeldet auf der großen Leinwand. Doch dazu später mehr.

2. DIE METAEBENEN

Wie bereits kurz erwähnt sprüht der Film vor Doppeldeutigkeiten, die ich in keinster Weise als überambitioniert empfunden habe, wie dem Film des Öfteren vorgeworfen wird. Ich halte sie schlichtweg für genial. Dröseln wir diese doch mal auf:

2. 1. Die Besetzung von Michael Keaton (Batman) als Riggan Thomson (Birdman). Ein in die Jahre gekommener Hollywoodstar, der im Schatten seiner ehemaligen Figur steht (die im Übrigen auch aus dem Schattendasein heraus tritt und mit ihm spricht - GROSSARTIG!) und auch nur aufgrund dessen erkannt wird. Der Bezug zur "Wirklichkeit" ist offensichtlich nicht zu leugnen und mag plakativ daherkommen, verfehlt aber seine Wirkung nicht. Was ist Schauspiel, was ist Realität? Was empfinden wir als Realität? Viele Dinge über die man sich ziemlich lange den Kopf zerbrechen kann. Nicht zuletzt geht Alejandro noch einen Schritt weiter: Indem er ein Stück im Stück platziert, einen Schauspieler in einem Schauspiel in einem Film ...

2. 2. Das Theaterstück in einem Film welches das Thema Liebe behandelt. Was ist wahre Liebe? Die Protagonisten im Stück What We Talk About When We Talk About Love von Raymond Carvers setzen sich genau damit auseinander. So wie Riggan Liebe mit Anerkennung verwechselt und so versucht herauszufinden über was er redet, wenn er über Liebe redet. Außerdem fragt sich der Betrachter des Films unweigerlich wie viel Keaton da wieder in Riggan steckt. Einfach ein genialer Schachzug des Regisseurs. Nicht zuletzt ist auch das Stück von Carvers ein real existierendes Stück was uns auf eine weitere Metaebene bringt. Leider kenne ich es nicht, um noch mehr Bezüge herstellen zu können.

2. 3. Theater und Film - große Kunst oder abgedroschene Hollywoodklischees? Ein Hollywoodfilm der in 8 Kategorien für den Oscar nominiert ist, setzt sich mit großer Schauspielkunst und dem Theater auseinander. Verhöhnt die Überheblichkeit des Theaters genauso, wie die Glamourwelt aus Hollywood. Nimmt sich selbst nicht zu ernst und platziert sogar gekonnt einen Seitenhieb auf die Kritiker. Wohl eine Sache des Standpunktes, wie so ziemlich alles im Leben. In diesem Zusammenhang spielt die Kamera und der Schnitt eine enorm wichtige Rolle ...

2. 4. Erst durch die wirklich durchdachten Kamerafahrten und den gewagten Schnitt (der als solcher oft nicht zu erkennen ist und die einzelnen Plansequenzen später digital zu einer einzigen großen "Plansequenz" zusammengefügt hat) schleicht sich beim Zuseher ganz unweigerlich, aber oft verkannt, das Gefühl eines Theaterstücks ein. Ich bin überzeugt davon, dass Alejandro deshalb auf diese Art von Kamera bestanden hat. Und wieder: Wir sehen ein Stück in einem Film, sind Besucher im Kino und erhalten doch das Gefühl im Theater zu sitzen. Der Rhythmus, der Glaube stets alles zu sehen, was gerade passiert, das Gefühl keines Schnittes, das unterwirft sich den Regeln des Theaters. Die Leinwand ist eine einzige große Bühne, und wir sitzen erwartungsvoll in unseren Sesseln und warten bis der Vorhang fällt und der nächste Akt beginnt. Leider kenne ich mich mit Theater zu wenig aus, um das mit Bestimmtheit sagen zu können, aber ich denke, der Film ist aufgebaut wie ein Theaterstück, mit seinen einzelnen Akten, dem Bühnenbild etc. Wenn wir den New Yorker Nachthimmel sehen und er sich der Himmel zum Tag erhält, dann ist das nichts anderes, als wenn im Theater der Vorhang fällt und die vormals nächtliche Kulisse sich im nächsten Akt in eine taghelle Landschaft verwandelt hat.

2. 5. Alejandro demontiert also den klassischen Film und das Theater gleichermaßen. Und das äußerst feinfühlig und wirklich sehr subtil.

Nur ein paar Beispiele:

Riggan steht auf dem Dach ("... ist das real oder drehen Sie einen Film ..." "... einen Film ..." - war das eine echte Frage einer New Yorker Anwohnerin? Stand das im Drehbuch? WTF!), will springen, Birdman spricht zu ihm, er ist mächtig, er ist groß in dieser Rolle, ja er kann sogar fliegen, die Musik steuert auf ihren Höhepunkt zu, Riggan wird springen, Riggan wird Birdman, zu jener Rolle die ihm so viel Anerkennung verschafft hat, ja Liebe in seinen Augen. Die Musik dröhnt, gleich wird er springen, da packt ihn eine Hand am Arm (weiß jemand ob das der Regisseur war? Ich dachte schon, aber bin mir nicht sicher. DAS würde nämlich dem Ganzen noch die Krone aufsetzen! Der Regisseur hat nämlich hier die Fäden in der Hand und wir sind nur die Marionetten, die nach seinen Zügen tanzen!), Musik setzt aus, harter Fall zurück in die Realität - und zwar für Riggan gleichermaßen wie für den Zuschauer. Zu leicht haben wir uns täuschen lassen von gut in unserem Gehirn verankerten Hollywooddogmen.

Ebenso verhält es sich wenn Riggan in seiner Rolle auf der Bühne steht, zum Publikum spricht, zu uns spricht, denn wir sind nichts anderes, als ein Publikum, das ein Publikum beobachtet, welches ein Theaterstück sieht.

Unzählige Beispiele mehr wären hier zu nennen:

Wenn Lesley erzählt, dass sie sich nichts mehr gewünscht hat, als eine Broadway-Schauspielerin zu sein und nun entzaubert feststellt, dass sie immer noch die unsichere Lesley ist. Wer kennt dieses Gefühl nicht, dem Irrglauben zu verfallen, irgendwann bin ich jemand anderes, dabei kann man doch immer nur man selbst sein und bleiben.

Wenn Riggan sagt: Nicht einmal in den Kopf kann er sich schießen und später selbst daran scheitert. In diesem Zusammenhang trifft hier auch die Szene im Theaterstück den Nagel auf den Kopf und demontiert sich später indem Theater zur Realität im Film wird und die Zuseher im Theater nicht wissen, gehört das zum Stück oder hat er sich wirklich erschossen. Riggan steht auf der Bühne, im Hintergrund sehen wird das Publikum, Riggan schießt, fällt, und nun trennt den Zuschauerraum im Theater nichts mehr vom Kinosaal. Wir sehen das Publikum, das Publikum sieht uns. Wird etwas Wirklichkeit, sobald es gesehen wird? Verändern Dinge durch das Betrachten ihr Verhalten? Ich kann es nur nochmal sagen: Alejandro schafft hier etwas so Vielschichtiges, dass es begeistert, wenn man es erkennt, wenn nicht, macht es trotzdem Spaß.

Immer wieder hebelt Alejandro auch gewohnte Sehmechanismen aus, wenn er z. B. Riggan und Shiner (Edward Norton) eine Szene des Stückes proben lässt. Es dauert immer einen Tick zu lange, bis wir begreifen ob wir uns gerade im Theaterstück des Films befinden oder in der Filmebene oder sogar in der Realität. Was zu einem nicht unbeträchtlichen Maße den Schauspielern zu verdanken ist ...

3. DIE SCHAUSPIELER

Durch die Bank weg ist Birdman einfach ÜBERRAGEND besetzt. Bis in die kleinsten Nebenrollen erhält der Film dadurch seine Glaubwürdigkeit. Und nur aufgrund dieser großartigen Schauspieler funktioniert der Film.

4. MICHAEL KEATON

Allen voran natürlich Michael Keaton! Wie schon eingangs erwähnt wird Birdman nicht zuletzt auch durch seine Beteiligung an diesem Experiment zum diesem exzellenten Film! Er spielt hier wirklich die Rolle seines Lebens.

5. DIE MUSIK

Ich hab mittlerweile von vielen Leuten gehört, dass sie sich mit der Filmmusik nicht so ganz anfreunden konnten. "Irgendwie schon ganz cool, aber auf die Dauer nervig ...", war die Meinung. Ich kann das Argument zwar nachvollziehen, hatte aber ganz gegenteilige Gefühle. Gerade die Musik, schafft eine weitere Ebene des Films. Wie schon erwähnt, ist sie nämlich wunderbar platziert (siehe Szene auf dem Dach). Auch wenn wir in Michael Keaton durch den Blick der Kamera verfolgen, die Kamera um ihn herum führt und wir nun seinen Blickwinkel einnehmen, sein und unser Blick nach links schwenkt und wir den Drummer sehen, der bislang nur aus dem Off für die Musik verantwortlich war, dann fühlen wir uns wieder kurz ertappt in unseren gewohnten Sehmechanismen. Und das macht einfach saumäßig Spaß!

6. DER WITZ

Birdman nimmt sich einfach selbst nicht zu ernst. Er verspottet nicht nur Hollywood und das Theater, er verspottet auch sich selbst und unterhält den Zuseher dabei wunderbar. Auch Michael Keaton geht nicht verbissen an die Sache ran, sondern nimmt sich selbstironisch auf die Schippe. Selbst wenn man dem vielleicht, wie mancher denken mag, im Text bisher abgehobenen Geschwafel von mir nichts abgewinnen kann, dann hat der Film auch ohne das alles noch so viele unterhaltsame Momente und wirklich, wirklich witzige Szenen zu bieten, dass jeder auf seine Kosten kommt.

7. DER FILM MACHT EINFACH SPASS

Wo wir beim nächsten Punkt wären: Birdman macht einfach großen Spaß! Auch ohne die ganzen anderen Dinge, die ich bis hierhin erwähnt habe.

8. DAS ENDE

Selbstverständlich werde ich hier jetzt nicht verraten, wie der Film endet, aber wenn man sich, so wie ich, auch auf die ganzen Dinge und versteckten Kleinigkeiten in Birdman einlassen konnte, dann wird man das Ende mögen, ist es doch ein konsequenter Abschluss.

9. NICHT ZULETZT DER OSCAR ALS BESTER FILM

Dass Birdman nun auch noch den Oscar als bester Film gewonnen hat, erschafft eine weitere Metaebene und lässt den Gedanken an Film und Theater, an Realität und Wirklichkeit oder Fiktion nochmal in einem neuen Licht erscheinen. Allein aus diesem Grund, weil der Oscargewinn Birdman noch einmal die Krone aufsetzt, den berühmten Punkt auf dem i, deshalb hat Birdman den Oscar als bester Film verdient. Man könnte meinen Alejandro hat diesen Gewinn als alternatives (wahres, endgültiges) Ende geschrieben.

10. EINFACH EIN GUTER FILM

Wer bis hierhin gelesen hat und sich nicht schon vorher verabschiedet hat, dem sei gesagt (egal was da oben steht und ob es so ist oder nicht, ob man das so sehen will oder nicht, was ja auch letztlich nur Interpretationssache ist) Birdman ist einfach ein verdammt guter Film und sollte gesehen werden. Und genau deshalb hat er den Oscar als bester Film auch mehr als verdient!

Birdman - 10 Gründe für den Oscar als bester Film Bild 1
Birdman - 10 Gründe für den Oscar als bester Film Bild 2
Birdman - 10 Gründe für den Oscar als bester Film Bild 3
Birdman - 10 Gründe für den Oscar als bester Film Bild 4
Birdman - 10 Gründe für den Oscar als bester Film Bild 5
Birdman - 10 Gründe für den Oscar als bester Film Bild 6
Birdman - 10 Gründe für den Oscar als bester Film Bild 7
Birdman - 10 Gründe für den Oscar als bester Film Bild 8
FAZIT:

ANSCHAUN!

WERTUNG: 10 von 10 Gründen
TEXT © Nicky
Dein Kommentar >>
KeksDose | 05.03.2015 22:22
Toll das so ein Film den Ossi abräumt.
Für mich aber keine 10/10. Alles zu
Gewollt/Kalkuliert. Das Ende war sehr
Sopranoistisch.
Alles sieht nach Futter für die militante
AntiBlockbusterFraktion aus.
Egal, tolle Darsteller, tolle Bilder/Szenen,
wunderbarer Humor.
(leichter Spoiler) Mein Highlight waren: die
Kneipendiskussion mit dieser Kritikerin, und am
Ende wenn alle Applaudieren nur diese Kritikerin
sitzen bleibt, dann aufsteht und weggeht...
Gänsehaut! Toll!
7/10
Curry69 | 11.03.2015 03:25
Das Ende war sopranoistisch? What? Falls sie die Fernsehserie meinen, kann ich den Vergleich überhaupt nicht nachvollziehen.
KeksDose | 28.03.2015 20:24
Ja die Serie (Wo ist eigentlich die Filmtipps
kritik
dazu?). Ein Beispiel von vielen. Mir gefiel nur
das Wort
Sopranoistisch ;)
Der Zuschauer muß/soll/darf sich sein eigenes
Ende (?)
"denken". Grundsätzlich gut. Leider lag das bei
Birdman
in der Luft, deshalb (siehe Oben)
gewollt/kalkuliert.
Sehr vorhersehbar.
Aber egal, sieht jeder anders. Ich mag den Film,
Punkt.
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