TRAGIKOMÖDIE: USA, 2014
Regie: Alejandro González Iñárritu
Darsteller: Michael Keaton, Edward Norton, Emma Stone, Zach Galifianakis, Naomi Watts
Riggan Thomson war ein Superheld in einem Comic-Blockbuster. Doch das liegt 20 Jahre zurück. Mit Anfang 60 versucht der alternde Hollywood-Star ein Comeback als seriöser Schauspieler am Broadway. Kein leichtes Unterfangen, wenn einen nicht einmal die eigene Tochter ernst nimmt ...
Es ist ja schick geworden, über die globalisierten Weltenschmerz-Epen des mexikanischen Regisseurs Alejandro González Iñárritu die Nase zu rümpfen. Kalkulierter Trademark-Pathos ist ein gängiger Vorwurf, überkonstruierte Drehbücher voller aufgesetzter Twists ein anderer. Das mag seine Berechtigung haben. Als bekennender Im-Zweifelsfall-Pathos-eher-Befürworter muss ich aber gestehen, dass mir AMORES PERROS und vor allem BABEL in durchaus positiver Erinnerung geblieben sind.
Trotzdem überrascht die (scheinbare) Leichtigkeit und die gelassene Ironie, mit der Iñárritu in seinem neuen Film zu Werke geht. BIRDMAN ist eine Art surreale Meta-Farce über Hollywood, das Showbusiness und das Starsystem im Allgemeinen.
Riggan Thomson (grandios: Michael Keaton), ein abgetakelter Hollywood-Promi, dessen letzter Hit zwei Dekaden zurück liegt, kämpft um sein Comeback als seriöser Schauspieler in einem Broadway-Stück. Die Proben gestalten sich desaströs, der Co-Star verliert zunehmend den Verstand, familiäre Konflikte branden auf, Nerven liegen blank, und, als ob damit nicht genug wäre, meldet sich Riggans schizophrenes Alter Ego, der "Birdman" (erraten: Die Rolle, auf die sich sein Ruhm begründet) lautstark zu Wort. Wenn das mal gut geht ...
BIRDMAN ist ein ziemlich unfassbares Monster von einem Film: Maßlos, überambitioniert (Plansequenzen, irre lange Plansequenzen!! Ralph!!!), hysterisch im Tonfall (der hyper-nervöse Drum-Soundtrack!), wirklich lustig, fast schon slapstickhaft, im besten Sinne größenwahnsinnig. This Year's WOLF OF WALL STREET, wenn man so will. Da passt es auch, dass ein Witz auf Kosten von Martin Scorsese gemacht wird. Ein Wahnsinn auch, welche irren Einfälle dieser Film so scheinbar beiläufig und spontan aus dem Ärmel zieht. Nein, ich will hier nichts verraten. Nur so viel: An Überraschungs- und WTF-Momenten herrscht in BIRDMAN wahrlich kein Mangel.
Aber so lustig es auch zugeht: BIRDMAN ist natürlich keine Komödie. Selbstredend handelt es sich um ein existentielles Drama eines lächerlichen Mannes. Es geht um Bedeutungsverlust, um Lebens- und Existenzangst.
Wie immer hat Iñárritu alle Starpower, die Geld kaufen kann, vor der Kamera versammelt. Und was soll ich sagen: Alle Beteiligten übertreffen sich gegenseitig. Allein schon Edward Norton zum ersten Mal seit FIGHT CLUB wieder in einer unberechenbaren Borderliner-Rolle zu sehen ist die Kinokarte wert. Dafür überrascht HANGOVER-Maniac Zach Galifianakis mit einem fast schon wieder ernsthaften Part. Naomi Watts gehört zum Stamm-Inventar in den Werken des Regisseurs. Emma Stone und Andrea Riseborough füllen auch die Nebenrollen mit Leben.
Okay, der neue Film des mexikanischen Weltschmerz-Experten Alejandro González Iñárritu ist überambitioniert und fast schon streberhaft virtuos inszeniert. Aber genau das ist auch das Großartige daran: Eine hysterische, dialogintensive filmische Wahnsinnstat, in der alle Beteiligten mehr oder weniger um ihr Leben spielen. Grandios lustig ist er obendrein.