DOKU/MUSIK: D/CHN, 2005
Regie: George Lindt, Susanne Messmer
Darsteller: -
Punk and Rock in China's Capital. Die Doku Beijing Bubbles begleitet fünf Punk-Bands aus Chinas Hauptstadt mit der Kamera. Dabei entsteht ein stimmiges Portrait einer Musikszene, die weit außerhalb der rigiden gesellschaftlichen Konventionen ihres Landes steht.
KRITIK:Diese Doku handelt nicht nur von Punkrock, sie ist Punkrock:
Auf vielen öffentlichen Plätzen in China ist Filmen verboten; die Aufnahmen mussten mit versteckter Kamera gemacht
werden. Sichtbares Resultat: Die Bilder wackeln, alles wirkt improvisiert, aber vital, rau und unmittelbar.
Der Schwerpunkt liegt auf der Musik, die Bands werden bei Proben und Konzerten mit der Kamera begleitet.
Dabei entsteht ein stimmiges Portrait einer Underground-Musikszene, die diesen Namen auch wirklich verdient.
Denn anders als im Westen gibt es in China für Musik abseits des Mainstreams keinen Markt,
keine Infrastruktur, keine mediale Unterstützung.
Die Menschen lieben kitschigen Schlagerpop in sterilen Karaoke-Bars.
Und nicht scheppernden Gitarren-Lärm in verrauchten Clubs mit schwarzen Wänden.
Überhaupt sind die Lebensumstände in China - freundlich ausgedrückt - verbesserunswürdig.
Die Menschenrechte sind kommunistisch, das Wirtschaftssystem neoliberal; das Schlechteste aus beiden Welten, sozusagen.
Solidarität ist ein Fremdwort, es regieren Ellbogenmentalität, Profitgier und der Opportunismus.
Arbeiten bis zum Umfallen, um schnell reich zu werden, lautet die Devise. Bloß: Schnell reich werden nur die wenigsten.
Sich als Punk zu deklarieren und gegen die Gesellschaft zu stellen,
erfordert eine Riesenportion Mut. Und die Bereitschaft, in Verhältnissen zu leben,
die mit dem schönen soziologischen Modewort "prekär" noch sehr beschönigend beschrieben sind.
Während die westeuropäischen Green Day-Fans mit Papis Mittelklasse-Limousine auf überteuerte Festivals fahren,
leben chinesische Punks in Abbruchhäusern in heruntergekommenen Slumvierteln am Rande der Millionenstadt.
"I borrow" antwortet der Sänger der Band Joyside auf die Frage, wie er denn die Miete bezahlen kann. "From friends, parents, our manager." Umgerechnet 10 Euro bekommt jedes Bandmitglied pro Auftritt; leben kann man davon nicht.
Man hätte sich als Zuseher vielleicht ein klein wenig mehr an Zahlen, Daten und Fakten erwartet. Wie viele Leute kommen wirklich zu den Gigs? Wie viele CDs werden verkauft? Wie sieht's mit Fanzines, Lokalen, Tonstudios, Auftrittsmöglichkeiten, kurz: alles, was eine "Szene" ausmacht, aus?
Punk in Peking. Die Doku setzt auf unverfälschte, vom Sound der vorgestellten Bands untermalte Bilder. Der Schwerpunkt liegt auf der Musik. Ein klein wenig mehr an Information hätte aber auch nicht geschadet. Dennoch eine interessante und sehenswerte Doku, die in Erinnerung ruft, dass Popkultur eben doch ein subversives, gesellschaftskritisches Potential haben kann (was man angesichts von tausend geklonten Boybands und Casting-Sternchen hierzulande gar nicht mehr glauben möchte.)