DRAMA: USA, 2012
Regie: Benh Zeitlin
Darsteller: Quvenzhané Wallis, Dwight Henry
Alle reden vom Weltuntergang. Für die sechsjährige Hushpuppy ist er bereits passiert: Ein gewaltiger Sturm hat ihr Heimatdorf Bathtub überschwemmt und allerlei prähistorische Ungeheuer zum Vorschein gebracht. Als die Regierung die wenigen Überlebenden aus der Sumpflandschaft zwangsevakuieren will, wird Hushpuppys Reise zu einem Abenteuer mit ungewissem Ausgang ...
7.6 auf der IMDB. Euphorische Kritiken, wohin man blickt und klickt. Dutzende Festivalpreise und Platzierungen ganz vorne in allen erdenklichen Jahreslisten. Vergleiche mit Terrence Malick. Und dann noch ein gewisser Barack Obama, der sich als Fan des Films outet.
Irgendwas muss Benh Zeitlin, Regiedebutant und Mitglied der Künstlergruppe Court 13, fundamental richtig gemacht haben.
Fest steht: BEASTS OF THE SOUTHERN WILD ist einer der bildgewaltigsten und visuell überborderndsten Filme des laufenden Kinojahres. Der Film spielt in einer surrealen, wilden, gefährlichen Märchenwelt, die aber - und das ist das Entscheidende - auf der Realität fußt. Viel mehr Fantasy-Märchen als Sozialdrama, transzendiert der Film die Wirklichkeit, handelt aber von wirklichen Menschen in wirklichen (Extrem-)Situationen.
BEASTS OF THE SOUTHERN WILD feiert die kindliche Fantasie als Fluchtmöglichkeit und Überlebenshilfe inmitten des unvorstellbaren Elends. Man kann sich das so vorstellen, als hätte Emir Kusturica, der bosnische Großmeister des magischen Realismus, ein MGMT-Videoclip im postapokalyptischen Wasteland von New Orleans nach Katarina gedreht.
Und doch mischt sich zumindest bei mir in die Euphorie über die Kraft der Bilder eine gewisse Portion Skepsis: Wird hier nicht auf fast schon fahrlässig naive Weise extreme Armut romantisiert? Cineastischer Elendstourismus quasi, angerichtet von jungen weißen Mittelschichtskreativen, die vom wahren, wilden, zivilisations fernen Aussteiger-Leben in den Sümpfen träumen?
Und könnte man den Film nicht böswilligerweise als neoliberales Statement wider jede sozialstaatliche Einmischung missverstehen - nach dem Motto: Die da unten im Elend, die sind doch im Grunde eh zufrieden, solange sie auf der Veranda sitzen und ihre Schnapsflaschen kreisen lassen. Seht doch, die wollen ja gar nicht, dass ihnen geholfen wird.
Das ist natürlich Blödsinn. Aber es würde mich nicht wundern, wenn ein paar Tea-Party-Idioten den Film genau in diese Richtung für sich vereinnahmen würden. Allein schon, um Obama zu ärgern.
Was bleibt, ist ein märchenhaftes Leinwand-Epos voll unglaublich kraftvoller Bilder, in dem sich magische und erschütternde Momente die Waage halten. Pflichtfilm, natürlich, aber zumindest für mich mit einem seltsamen Beigeschmack.
Für Fans von märchenhaften Filmen, die die (kindliche) Fantasie als Realitätsfluchtmittel und Überlebenshilfe feiern, muss BEASTS OF THE SOUTERN WILD der Film des Jahres sein, wie diverse Bestenlisten eindrucksvoll beweisen. Der Autor dieser Zeilen, dem die Fähigkeit, sich in kindlichen Fantasy-Welten zu versenken, (leider ?) völlig fehlt, sieht die Sache ein wenig kritischer und ortet zwischen den überwältigenden Bildern Anflüge von naiver Armuts-Romantisierung.