OT: Gli Orrori del Castello di Norimberga
HORROR: I, D, 1972
Regie: Mario Bava
Darsteller: Elke Sommer, Joseph Cotton, Massimo Girotti, Antonio Cantafora
Leichtsinniger Nachfahr erweckt blutdurstigen Ur-Ahn zum Leben. Jetzt rappelt's in der verfluchten Spukburg und Elke Sommer muss verdammt schnell rennen...
Selbst wenn Mario Bava wie in BARON BLOOD eine extrem triviale Geschichte erzählt, die so und nicht anders auch in alten Bastei-Groschenromanen wie den leider längst vergilbten Gespensterkrimis hätte stehen können, ist das Ergebnis immer noch ein Erlebnis.
Trotzdem halten sogar eingefleischte Fans BARON BLOOD für eines der schwächeren Werke des Maestros. Der Film steht im Oeuvre Bavas tatsächlich etwas im Schatten seiner S/w-Klassiker und den jüngeren Geniestreiche wie etwa dem prächtigen OPERAZIONE PAURA oder LISA UND DER TEUFEL. Verglichen mit diesen Meisterwerken mag BARON BLOOD zwar den Kürzeren ziehen, aber das macht ihn noch lange nicht zum schlechten Film.
Man kann sicherlich nicht leugnen, dass das Drehbuch kaum ein Klischee des Schauerfilms auslässt. Der sadistische Blutbaron wird so fatalerweise wie irrtümlich von seinem mit einer alten Beschwörungsformel herumalbernden Nachfahren aus dem Jenseits zurückbeordert - und das natürlich stilecht Glockenschlag Mitternacht. Wenn der mörderische Baron von Kleist dann zurückgekehrt ist, meuchelt er sich (lange vor Michael Myers und Konsorten) wie ein kleiner Slasher-Fürst durch die Besetzung und unsere Elke Sommer darf (lange vor Jamie Lee Curtis) eine waschechte Scream-Queen geben.
Ungeachtet ein paar unfreiwillig provozierter Lacher ("Der blöde Fritz hat mich furchtbar erschreckt!") und einiger vieler simpelst gestrickter, nicht gerade von Raffinesse zeugender Dialoge (Es grüßt noch einmal der Groschenroman!), verbindet BARON BLOOD recht früh in der Horrorfilmgeschichte eine altbackene Spukburg-/Familienfluch-Geschichte mit modernen Schlitzerfilm-Elementen. Das alles ist zugegebenermaßen reichlich trivial, doch von Bava gewohnt meisterlich in Szene gesetzt.
Unheimliche staub- und spinnwebenbedeckte Kulissen. Mitternächtliche Burgtürme. Stimmigste Beleuchtung. Wunderbar atmosphärische Spiele mit Licht, Schatten, Farbe und Nebel. Und wenn Mario Bava seine visuellen gotischen Festspiele eröffnet, wechselt auch der anfangs noch so beschwingte Cipriani-Score den Ton in Richtung dunkel-unheilvoll.
BARON BLOOD bringt neben ganz viel Atmosphäre auch einige Momentaufnahmen für die Ewigkeit auf den Bildschirm. Sollte jemand dort draußen gerade an einem Bildband über die schönsten (respektive: düstersten) Schauerfilmszenarien basteln; Screenshots von dem Gehenkten im Wendeltreppenschacht oder den Gepfählten an den Burgturmzinnen sollten zwingend rein. Das sind Szenerien wie gemalt für Postkarten mit morbiden Grüßen.
Ach, übrigens: Der Originaltitel suggeriert zwar Nürnberg als Ort der Handlung, doch tatsächlich wurde in Österreich gedreht.
In diesem Sinne: "Ihr Sterblichen seid so dumm. Früher habt ihr Hexen verbrannt; heute erweckt ihr Mörder zum Leben..." Und: "Bitte beachten Sie die liebevollen Details der Folterinstrumente..."
Die schreiend triviale Gruselgeschichte samt ihrer nicht gerade vor Raffinesse strotzenden Dialoge mag tatsächlich einem vergessenen Zeitungsständer mit uralten, längst vergilbten Groschenromanen entsprungen zu sein, doch Mario Bava hat aus ihr ein gotisches Festspiel gezaubert. Licht, Farbe, Nebel und Schatten verdichten sich zu einem atmosphärischen wie visuellen Hochgenuss. Die Kamera ist entfesselt, im Hintergrund dumpf und unheilvoll ein Cipriani-Score und sowohl Scream Queen Elke Sommer als auch die makabren Mordszenen nehmen den modernen Schlitzerfilm vorweg. Bavas vermeintlich "Schwächster" ist trotzdem ein Riese.