CAR-CRASH-MUSICAL: USA, 2017
Regie: Edgar Wright
Darsteller: Ansel Elgort, Lily James, Kevin Spacey, Jon Hamm, Jamie Foxx, Flea, Sky Ferreira
"Baby" (Ansel Elgort) sieht aus wie ein - nun ja, Baby eben. Aber hinter dem Lenkrad ist er ein Teufel. Sein Boss Doc (Kevin Spacey) hält große Stücke auf seinen besten Fluchtwagenfahrer, der praktisch rund um die Uhr Musik hört. Baby verliebt sich in die schöne Diner-Kellnerin Deborah und will nur noch weg. Doc ist wenig begeistert und wird seinen besten Mann nicht einfach so ziehen lassen ...
Edgar Wright kann eigentlich nichts falsch machen: Der Mann hat den Zombiefilm mit der romantischen Komödie vermixt (SHAUN OF THE DEAD, 2004), das angestaubte Genre der Buddy-Cop-Komödie modernisiert (HOT FUZZ, 2007) und die Welt mit Hilfe von trinkfesten Männern vor der Alien-Invasion gerettet (THE WORLD'S END, 2013). Und vielleicht lege ich eines Tages meine Vorurteile gegen Game-Adaptionen ab und trau mich auch über SCOTT PILGRIM VS THE WORLD drüber, der mir damals irgendwie zu nerdig ausgesehen hat.
Mit BABY DRIVER hat der 44-jährige Brite ein Herzensprojekt verwirklicht. Ein Car-Chase-Movie, das natürlich eine Lovestory ist, in dem die Musik nicht nur den Rhythmus vorgibt, sondern die eigentliche Hauptrolle spielt. Also im Herzen im Musical, wo aber - Gott sei Dank! - nicht gesungen wird. Sozusagen der LA LA LAND unter den Actionfilmen, aber hundert Mal cooler als der überschätzte Oscar-Abräumer. Möglicherweise hört sich das alles ziemlich seltsam an, oder High Concept, wie wir Kritiker-Nerds das wissenschaftlich benennen. Aber glaubt mir: Edgar Wright KANN einfach nichts falsch machen.
Kaum zu glauben, dass die irrwitzigen Verfolgungsjagden ohne digitale Nachbearbeitung und mit nur minimalem Green Screen-Einsatz zu Stande gekommen sind. Die Choreographie der Actionsequenzen übernahm der Performance-Künstler Ryan Heffington, auf dessen Konto unter anderem Sias spektakuläres Chandelier-Video geht.
Es ist faszinierend zu sehen (und zu hören), wie die Musik diesen Film taktet, bis hin zum winzigsten Schnitt. Ein Film als Mixtape, aber weniger geschmäcklerisch als bei Quentin Tarantino. Und nicht so gewollt auf ironisch und retro getrimmt wie in den GUARDIANS OF THE GALAXY-Filmen.
Dass ein musikalischer Film auf Musiker-Cameos zurückgreift, wird nicht überraschen. Flea von den Chili Peppers hat hier seine Nase verloren (über die Gründe sollte man ihn besser nicht fragen), und Sky Ferreira, die ich eigentlich nur von dieser fantastischen Primal Scream-Nummer kenne, taucht in Rückblenden auf, was dem Film - ohne etwas spoilern zu wollen - auch eine melodramatische Qualität gibt.
Die Starpower, die Edgar Wright hier vor der Kamera versammelt hat, ist auch beachtlich. Jamie Foxx und Man Jon Hamm treten zum Psychopathen-Duell an, was dem an sich jugendfreundlichen Film einige graphische Gewaltspitzen und ein R-Rating beschert hat. Kevin Spacey muss sich für den Mobster aus der Mittelgewichtsklasse, der nach Höherem strebt, wenig verstellen. Die Hauptrollen gehören den Jungstars Lily James und Ansel Elgort. Der junge Mann ist mir zuletzt in THE FAULT IN OUR STARS ausgesprochen positiv aufgefallen. Die Chemie zwischen Boy und Girl stimmt, es wird auch ein bisserl romantisch - so romantisch wie ein Actionfilm eben sein kann - aber niemals schmalzig.
Warmherzig und liebevoll waren Edgar Wrights Genre-Mixes ja immer. BABY DRIVER ist möglicherweise sein bis dato bester Film: Eine rasante Thriller-Lovestory mit der Überdosis Musik im Herzen, die man am besten in einem Saal mit Dolby Atmos sehen (und hören) sollte.
Von Musik angetriebener Gangster-Thriller, juvenile Lovestory und Car Chase-Musical in einem. Es ist immer wieder verblüffend zu sehen, wie souverän Edgar Wright Genre-Grenzen sprengt und Bestandteile, die auf den ersten Blick nie und nimmer zusammen passen, zu einem runden Gesamtkunstwerk vereinigt. Toller Film!