GIALLO/HORROR: ITALIEN/FRANKRE, 1973
Regie: Corrado Farina
Darsteller: Carroll Baker, George Eastman, Isabelle de Funès
Die selbstbewusste, linksintelektuelle Fotografin Valentina lernt eines Abends die geheimnisvolle Baba Yaga kennen. Kurz danach fängt die Grenze zwischen Realität und Traum zu verschwimmen, und als Valentina von Baba Yaga eine SM-Puppe als Geschenk erhält, gerät sie endgültig in ihren Sog...
KRITIK:Hexenkult mitten im Mode- und Bankenzentrum Italiens? Um das und den Film zu verstehen, muss man sich bewusst werden, dass Horrorfilme immer auch ein Spiegel ihrer Zeit sind. Die 68er schockierten eine ganze Generation, ewig geltende Werte wurden in Frage gestellt, und so spiegelte sich das tiefe Gefühl der Verunsicherung im Horrorfilm wieder - das Böse erhält Einzug in unsere moderne Welt.
Wie tief die Wellen schlugen, zeigt sich auch in BABA YAGA, immerhin schon fünf Jahre nach den Studentenrevolten gedreht. Noch vor dem Titelvorspann werden amerikanische Flaggen verbrannt, und Valentina diskutiert im weiteren Verlauf über Revolution und Sozialismus, bis sie sich dem Irrationalen stellen muss.
BABA YAGA basiert auf einem Strong-Adult-Comic von Guido Crepax, und von den Studentenrevolten ist natürlich im Comic nicht viel zu sehen. Dafür aber eine ganze Menge Fetischismus und andere Sachen, die Opa Kurt auf die Palme bringen und den Herzschrittmacher ersparen würden. Valentina träumt von einem Erschießungskommando, wird nackt Nazis vorgeführt und lernt später die Freuden einer hingebungsvollen Züchtigung kennen.
Seltsamerweise blieben die italienschen Zensoren aber nur bei zwei sehr kurzen Sequenzen unnachgiebig, härter waren da die eigenen Produzenten, die den Film ohne Einverständnis des Regisseurs zu einem Torso zusammenschnitten, weil er ihnen zu lang und zu wenig actionreich vorkam. Zwar durfte Farina nach massiven Protesten einen Teil seiner Vision wieder herstellen, aber endgültig geschah dies erst 2009 für die Veröffentlichung der DVD aus dem Hause Shameless.
BABA YAGA braucht und nimmt sich Zeit, schneidet kunstvoll zwischen Realität, Erinnerung und Traum, zwischen Comic, Schwarz-Weiß-Fotos und Film. Man muss schon Geduld mitbringen und sich hierauf einlassen können, erst zum packenden Finale kommt der Film in Fahrt. BABA YAGA ist dabei allenfalls ein Grenzgänger des Giallo, auch wenn er über weite Strecken dessen chicen Style hat und sich auch seiner Mittel bedient. Am Ende steht der Zuschauer eher mit leeren Händen da, wenn er auf die Frage "Worum gehts?" eine alleserklärende Antwort erwartet hat.
Unbelichtete Fotos, die trotzdem eindeutig ein Bild zeigen. Uhren ohne Zeiger. Boxkämpfe vor leeren Rängen. Surreales, düsteres italienisches Kino. Dali hätte seine Freude gehabt. An der Provokation sowieso.