OT: Macchie Solari
GIALLO: I, 1975
Regie: Armando Crispino
Darsteller: Mimsy Farmer, Barry Primus, Ray Lovelock
AUTOPSY beginnt mit einer verstörenden Szenenabfolge mit Selbstmördern beim finalen Akt. Die Leichen landen danach auf dem Seziertisch der jungen Pathologin Simona, die ebenfalls alles andere als einen psychisch stabilen Eindruck macht. Dann kommt die nächste Lieferung ins Leichenschauhaus: Eine Frau, die sich angeblich selbst getötet hat, indem sie sich eine Kugel durch die Kehle gejagt hat. Doch der Bruder der Toten, ein Priester, glaubt nicht das Offensichtliche. Er denkt an Mord. Gemeinsam mit Simona beginnt er Nachforschungen anzustellen...
KRITIK:Zuerst weiß man bei diesem Film nicht so genau, wohin die Reise geht.
Mit der ungewöhnlichen Selbstmord-Epidemie zu Beginn hat der Plot anfänglich einen starken Horrorfilmeinschlag,
bevor er sich letztendlich zum lupenreinen Giallo entwickelt.
Und als solcher kommt er selbstredend ohne übersinnliche Mätzchen oder Mad Scientist - Motive aus.
Wie viele andere Giallos - wobei Ausnahmen die Regel bestätigen -
ist auch AUTOPSY ein Film, der eher gemächliches Tempo geht.
Aber dafür hat er Style und Atmosphäre zum in Ehrfurcht erstarren.
Dank Crispinos künstlerisch wertvoller Inszenierung und der Musik von Ennio Morricone
entwickelt der Streifen schnell eine Eigendynamik,
die trotz ruhiger Erzählweise jede Langeweile schon im Keim erstickt.
Apropos Morricone: Dieser Komponist ist sowieso ein Phänomen.
Wie kein Zweiter versteht der Mann es in die Seele eines Films einzutauchen und alles,
was er dort findet in Musik zu verwandeln.
Bei AUTOPSY ist es ein gespenstischer Score geworden.
Einer, der mit eher sparsamer, atonaler Instrumentierung und mit viel Seufzern und Wehklagen,
die beklemmende Grundstimmung kongenial interpretiert und noch verstärkt.
Zwischen Leichenhausmorbidität, angeknacksten Psychen und gestörter
Sexualität ist AUTOPSY ein ungewöhnlicher, aber faszinierender Giallo geworden,
der in seinen wenigen Morden völlig ohne gesichtslose Killer und schwarze Handschuhe auskommt.
Dafür punktet er mit seltsamen Stimmungen, grandioser Musik und einer starken Besetzung
(Mimsy Farmer, Ray Lovelock und - sehr charismatisch: - Barry Primus).
Und schreckt dabei nicht vor drastischen Schockbildern (wie etwa dem Zeigen von Fotos echter Mordopfer)
und viel nackter Haut zurück.
PS: Der deutsche Titelzusatz "Hospital der lebenden Leichen",
der uns anscheinend einen Zombiefilm suggerieren will, ist ja einmal mehr unverschämt unpassend.
Ein Giallo - gediegen, verstörend, anders und absolut sehenswert.