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Atmen

Atmen

DRAMA: Österreich, 2011
Regie: Karl Markovics
Darsteller: Thomas Schubert, Karin Lischka, Gerhard Liebmann, Georg Friedrich, Stefan Matousch

STORY:

Der 19jährige Waisenjunge Roman Kogler sitzt seit fünf Jahren in einer Jugendhaftanstalt. Um seine Chancen auf eine frühzeitige Haftentlassung zu erhöhen, sucht er einen Job und heuert bei einem Bestattungsunternehmen an.

KRITIK:

Spätestens seit Die Fälscher 2008 als erster österreichischer Beitrag den Oscar für den besten fremdsprachigen Film gewann, wird sein Hauptdarsteller Karl Markovics in den heimischen Medien als unser führender Kunstfilmschauspieler abgefeiert. Nun hat der 48-jährige Das Metier gewechselt und mit "Atmen" sein Regie- und Drehbuchdebüt präsentiert.

Zu Beginn des Filmes ist es auch durchaus noch erkennbar, dass sich der Neo-Regisseur zum ersten Mal nicht vor, sondern hinter der Kamera befindet. Die Chemie mit seinem insgesamt grandiosen Hauptdarsteller Thomas Schubert ist da noch nicht wirklich gegeben und man scheint die Regieanweisungen nahezu selbst hören zu können. Dieses Problem legt sich aber bald und "Atmen" wird langsam aber sicher zu einem flüssig erzählten, minimalistischen Anti-Helden-Drama mit messerscharf gezeichneten Charakteren.

Die Hauptfigur steht dabei natürlich im Vordergrund. Roman ist ein verlorener Einzelgänger, der sich nach Freiheit und Heimat sehnt. Die Symbolik des Filmes ist dabei stets treffend, weder zu subtil noch zu aufdringlich. Lange Szenen ohne jegliche Hektik, in denen Roman beim Tauchen in der Menschenleere des Tiefwasserbeckengrundes gezeigt wird, sind das beste Beispiel für diesen gelungenen Balanceakt.

Auch die anderen Charaktere werden liebevoll behandelt. Der zunächst arrogante und äußerst unsympathische Arbeitskollege wird am Ende ebenso menschlich dargestellt wie die Mutter Romans, die dieser aufspürt. Markovics gelingt es, den wesentlichen Nebenfiguren genau das richtige Maß an Substanz zu geben. Sie lenken zwar nicht vom Hauptdarsteller ab, bieten aber trotzdem genug Raum, um über sie nachzudenken.

Eine Szene wird im Wesentlichen einer toten Frau gewidmet. Die Schwiegertochter, die die Bestatter zur Eile mahnt, weil sie nur in der Kurzparkzone steht, ist Markovics persönliche Reaktion auf die Wiener Einstellung zum Sterben. Die Leichtfertigkeit mit der hierzulande oft mit dem Ende des Lebens umgegangen wird, nannte er einen der Hauptgründe, den Film zu drehen.

Dennoch darf in einem typisch österreichischen Film, und genau so einer ist "Atmen", schwarzer Humor nicht fehlen. Wenn der Bestattungswagen vielsagend neben den Mülltonnen parkt oder Romans Kollege meint, die Leiche würde wohl kaum von selbst in den Sarg steigen, ist das auch noch (sehr) lustig. Nach einiger Zeit wirken die Witze aber ein wenig zu angestrengt, da der Film auch ohne sie keineswegs langweilig gewesen wäre. Darüber hinaus geht der eine oder andere Schmäh schon mal an den leider zeitweise sehr schwachen Sound verloren. Auch der Inhalt anderer, durchaus wesentlicher Dialoge ist aus diesem Grund manchmal nur zu erraten.

Da bereits bekannt geworden ist, dass "Atmen" der österreichische Vorschlag für den Fremdsprachen-Oscar 2011 ist, möchte ich noch kurz seine Chance bei der größten Preisverleihung der Filmwelt analysieren. Ein Gewinn ist mit diesem Film wohl nahezu ausgeschlossen. Zwar ist der Film bei Festivals in Europa sehr gut angekommen, doch ist er nicht unbedingt das, was man als Oscar-Material bezeichnen kann. Eine Nominierung ist, spätestens seit dem ebenso verdienten wie überraschenden Aufscheinen von Revanche auf der Liste der letzten fünf, nie auszuschließen, ein Sieg allerdings nahezu unmöglich.

Atmen Bild 1
Atmen Bild 2
Atmen Bild 3
Atmen Bild 4
FAZIT:

Atmen ist ein zutiefst österreichischer Film, mit langen Einstellungen, einer subtilen Erzählweise und viel schwarzem Humor. Dank liebevoll gestalteter Charaktere vermag es Regie-Debutant Karl Markovics, auch ohne auf die Tränendrüsen drückende Story die Zuschauer zu berühren.

WERTUNG: 8 von 10 neben Mülltonnen parkenden Leichenwagen
TEXT © Michael Leitner
Dein Kommentar >>
armin | 04.10.2011 00:08
Stiegl hat wohl auch in jedem zweiten österreichischen Film seine Finger drin (-:
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