OT: Apocalypse domani
HORROR: Italien, 1980
Regie: Antonio Margheriti
Darsteller: John Saxon, Elizabeth Turner, Giovanni Lombardo Radice, Cinzi de Carolis
Amerikanische Kriegsgefangene haben sich in Vietnam mit einem "Kannibalen-Virus" infiziert und bringen diesen mit nach Hause. Während Captain Hopper verzweifelt versucht, dem Drang nach Menschenfleisch zu widerstehen, geben sich zwei seiner Kameraden diesbezüglich weit weniger Mühe. Die Folge: Der Virus wird per Biss übertragen, breitet sich in der Stadt aus und nun werden auch die harmlosesten Mitmenschen zu ASPHALT-KANNIBALEN ...
APOCALYPSE DOMANI, die Apokalypse am nächsten Tag, heißt der Film im Original. Da könnte man durchaus auf die fixe Idee kommen, dass Antonio Margheriti hier ebenso ins Herz der Finsternis vorstoßen wollte, wie es seinerzeit jener Film getan hatte, auf den sich der Titel offensichtlich bezieht; nämlich Coppolas APOCALYPSE NOW.
Tatsächlich spielt Vietnam eine Rolle. Und auch die tiefen Wunden, die der Krieg unweigerlich in die Seele der Menschen und Soldaten schlägt. Dass der Horrorfilm und das brisante Thema des posttraumatischen Belastungssyndroms eine brillante Verbindung eingehen können, beweist nicht zuletzt Adrian Lynes in allen Belangen unter die Haut gehender JACOB'S LADDER aus dem Jahr 1990. Allerdings kreuzt Margheriti hier den so genannten Shell Shock mit einem Virus, der aus den Infizierten nach Menschenfleisch gierende Amokläufer macht und das wiederum funktioniert zumindest auf einer diskussionswürdigen Ebene weit weniger.
Der Film ist eben durch und durch ein Kind seines Landes, seiner Zeit und des damals vorherrschenden Publikumsgeschmacks. Er entstand in Italien. Man schrieb das Jahr 1980. Das Publikum hatte Filmblut geleckt. Und die in allen Gedärmefarben leuchtenden Kinoleinwände wurden beherbergt von Zombies und Kannibalen. Und so hat auch Antonio Margheriti, der einst starke Italo-Western und edelste Schauerstücke gedreht hatte, ebenso wie seine Berufskollegen (ob die nun Fulci oder Lenzi hießen) sein Scherflein dazu beitragen dürfen, dass die bundesdeutschen Filmverbotslisten sowie die britischen "Video Nasty"-Register um einige Titel reicher wurden.
Sein Beitrag: APOCALYPSE DOMANI. Oder treffender auf deutsch: ASPHALT-KANNIBALEN. Die Zutaten: Motive aus den seinerzeit angesagten Zombie-Filmen (die Übertragung des Kannibalenvirus per Biss), der Shell Shock, Kannibalismus, eine kleine Prise TAXI DRIVER und ein Filmcharakter, den man "Charlie Bukowski" genannt hat. Passt alles irgendwie nicht zusammen.
Es fängt schon bei den ASPHALT-KANNIBALEN an. Die seit Vietnam mit einem zwanghaften Appetit auf Menschenfleisch ausgestatteten Veteranen beißen arglose Mitmenschen, die dann ebenfalls am liebsten ihren Nachbarn verspeisen würden. So weit, so gut. Doch wenn etwa eine Kannibalin zuerst einem ihrer Opfer die Zunge herausbeißt, danach lüstern grinsend zusieht, wie Kollege Giovanni Lombardo Radice das Bein eines bedauernswerten Automechanikers mit der Kreissäge bearbeitet, aber später in der Kanalisation beim Anblick einer im Abwasser badenden Ratte einen hysterischen Ekelanfall bekommt, dokumentiert dies schon ganz gut die Unausgegorenheit des Drehbuchs.
Doch zwischen den teilweise in Kratergröße klaffenden Logiklöchern (so schwankt die Inkubationszeit des Virus zwischen vielen Jahren und ein paar Minuten) gibt es ja noch das Wiedersehen mit dem alten Recken John Saxon, Elizabeth (VOM SATAN GEZEUGT) Turner und dem bereits erwähnten Giovanni Lombardo Radice (aka John Morghen), der in den 80ern ohnehin Stammgast in allen skandalträchtigen Auswüchsen des italienischen Splatter- und Exploitationkinos gewesen ist.
Was - zumindest für Bluthunde - noch viel interessanter sein dürfte: Man kommt auch in den Genuss der Gore-Kunst von Meister de Rossi. Hier zwar nicht ganz so exzessiv zelebriert wie in Fulcis Zombie-Evangelien oder in Lenzis Kannibalendschungeln, aber doch mit allen Ekelstandards wie tiefen Bisswunden und herausgedrückten Augen ausgestattet. Und mit einem glatten Bauchdurchschuss im spektakulären Radius eines Medizinballs.
Dazu passt dann auch die ab und an schön böse Atmosphäre, die Margheriti in den besten Momenten seines urbanen Großstadt-Kannibalenausbruchs generiert, um aus der APOCALYPSE DOMANI eine passable Marke im Rahmen der römischen Splatteroffensive der 80er zu machen. Auch Blonksteiners Score ist gelungen, zumindest in den äußerst hörenswerten zehn Minuten im Film, wo er nicht hoffnungslos neben der Spur dudelt.
Vietnam, Shell Shock, Kannibalenvirus, Action und beißwütige, aber höchstlebendige und merkwürdigerweise noch halbwegs zivilisierte "Zombies" in der Großstadt. Eine wilde Zutatenmischung, die auf einer ernsthaften Ebene natürlich kaum funktioniert, setzt uns Altmeister Antonio Margheriti in ASPHALT-KANNIBALEN vor; seinem damaligen Beitrag zur bundesdeutschen Liste beschlagnahmter Filme und zum britischen "Video Nasty"-Register. Gut, dass es ein Wiedersehen mit einigen beliebten Stars aus der High Time des italienischen Splatterkinos der 80er gibt. Und solch erlesene Goremomente aus der Trickkiste Giannetto de Rossis wie etwa den glatten Bauchdurchschuss im Radius eines gottverdammten Medizinballs!