DRAMA: A, 2023
Regie: Josef Hader
Darsteller: Birgit Minichmayr, Josef Hader, Robert Stadlober, Thomas Stipsits
Der Religionslehrer Leitner (Josef Hader) hat schon den Koffer fürs Gefängnis gepackt. Er will büßen. Für den Unfall. Mitten in der Nacht. Auf der Landstraße. Wo er den Andy, den Mann der Dorfpolizistin Andrea (Birgit Minichmayr) überfahren hat. Doch bezüglich der Schuldfrage gibt es noch ein kleines Detail. Das Andrea allen verschwiegen hat ?
ANDREA LÄSST SICH SCHEIDEN ist der zweite Kinofilm des vielbeschäftigten Kabarettisten, Schauspielers und seit WILDE MAUS (2016) auch Regisseurs Josef Hader.
Ich bin mir noch nicht ganz sicher, welchen der beiden Filme ich mehr mag: WILDE MAUS war, wie Hader selbst sagt, ein Film über "seltsame Stadtmenschen". Während es im neuen Film um "seltsame Landmenschen" geht. Nachsatz: Es war ihm sehr wichtig, das Land und seine Menschen nicht zu denunzieren.
WILDE MAUS war der lustigere Film, keine Frage. Obwohl auch da schon der Humor sehr tief im Melancholischen, Depressiven grundiert war. Er war auch der locationtechnisch abwechslungsreichere Film. Ich liebe die Szenen, wo Hader mit dem gestohlenen Auto aufs Land fährt, auf die Alm, in den Nebel, in den Schnee. Das war großes atmosphärisches Kino, fast schon Italo-Schneewestern-Charakter.
ANDREA LÄSST SICH SCHEIDEN spielt hingegen im Hochsommer. Die Farben sind extrem hell, die Sonne ist aber nie zu sehen. Stimmungsmäßig pendelt dieser Film irgendwo zwischen INDIEN, HUNDSTAGE und - wieder: Italowestern. Aber lassen wir den Regisseur das visuelle Konzept selbst erklären: "Es ist dieses gleißende Licht, das ein bissl die Farben wegnimmt. Der Himmel nicht blau wie in der Fremdenverkehrswerbung, sondern weißlich, das Gras nicht mehr frisch, sondern ein bisschen angetrocknet. Wir wollten einen drückenden Hochsommer erzählen mit unangenehmen Insekten am Tag und in der Nacht mit lauten Grillen. Ein Hauch von Italo-Western. Das Weinviertel ist eine Landschaft, die nicht so zwingend österreichisch ausschaut. Wir wollten eine Provinz kreieren, die es überall geben kann."
(Aus einem Interview mit Josef Hader im Kurier).
Es wurde schon angedeutet: ANDREA LÄSST SICH SCHEIDEN ist kein "lustiger" Film. Don't expect a Komödie. Die Wuchteln, Kalauer und Schenkelklopfer des österreichischen Kabarettkinos sind gefühlt 1000 Lichtjahre entfernt. Es ist ein sehr düsterer, ein sehr tragischer Film, ein Anti-Landkrimi, wenn man so will, der seine größten Stärken sehr subtil ausspielt. Es geht um ganz normale Menschen in ganz normalen Situationen - Extremsituation freilich - um Menschen, die das Schicksal mit biblischer Härte trifft. Die aber trotzdem weitermachen, weitermachen müssen, irgendwie halt.
Es ist aber auch kein Film, der einen runterzieht und depressiv macht. Im Gegensatz zu den dummen, misanthropischen, kunstfeindlichen Dumpfbeutel-Kommentaren zum Film im Standard-Forum. Verlinke ich absichtlich nicht.
Hader selbst spielt übrigens nur eine Nebenrolle. Der Film gehört ganz der großartigen Birgit Minichmayr, die mit Josef Hader schon in DER KNOCHENMANN zusammengearbeitet hat. Hier spielt sie eine korrekte Polizistin, einen weiblichen Cowboy, wenn man so will. Die einen gewaltigen Fehler gemacht und Schuld auf sich geladen hat. Italowestern-Style eben.
Don't expect a Komödie: Wer in Aussicht auf einen heiteren Filmabend voller Wuchteln, Schmähs und Schenkelklopfer ins Kino geht, wird enttäuscht sein. Josef Haders zweite Regiearbeit ist zwar kein "Austrian Feel-Bad-Cinema" (Copyright New York Times), aber von der Heiterkeit des heimischen Kabarettkinos gefühlte Lichtjahre entfernt. Ein fordernder, düsterer Film. Große Tragödie. Große Schauspieler. Josef Hader war in Wahrheit immer im tragischen Fach, nur hat man das nicht immer gemerkt. Ich fand den Film großartig.