DRAMA: D, 2007
Regie: Robert Thalheim
Darsteller: Alexander Fehling, Ryszard Ronczewski, Barbara Wysocka, Lutz Blochberger
Den jungen Zivi Sven verschlägt es statt nach Amsterdam in die polnische Stadt Oswiecim, besser bekannt unter ihrem deutschen Namen Auschwitz. Dort soll er dem KZ-Überlebenden Krzeminski ein wenig unter die Arme greifen...
KRITIK:Gestern habe ich mein erstes offizielles Amazon-Päckchen bekommen und mich gefreut - natürlich. Auf jeden Fall befanden sich in dem Päckchen ein Buch und zwei Filme; einen der beiden Filme habe ich gleich in mein DVD-Laufwerk geschoben. Der Name des Films: Am Ende kommen Touristen. Sein Handlungsort: Die polnische Stadt Oswiecim besser bekannt unter Auschwitz, dem deutschen Namen. Sein Thema: Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit - was sonst?
Und genau hier beginnt mein Problem. Diese Auseinandersetzung geschieht - oder besser sollte geschehen - mit der Hilfe einiger Charaktere: Krzeminski, dem KZ-Überlebenden, Sven, dem Zivi, den es doch sehr unfreiwillig nach Auschwitz verschlagen hat und Ania, der Dolmetscherin, die in der Gedenkstätte arbeitet.
Krzeminski ist ein wortkarger Mann, der Deutsch spricht, sich gern deutsche Lieder anhört und immer noch auf dem Lagergelände wohnt. Seine Schwester, die übrigens auch sehr gut Deutsch spricht, drängt ihn ja schon seit Jahren, endlich zu ihr hinaus aufs Land zu ziehen, aber er bleibt stur und meint, sie verstehe ihn nicht.
Schließlich hat er doch eine Aufgabe: Er restauriert die Koffer, die im Museum sehr publikumswirksam in einer Vitrine ausgestellt sind. Krzeminski hängt an "seinen" Koffern, schließlich hat er doch damals den Neuankömmlingen versprochen, sie würden ihre Koffer ganz sicher wiederbekommen. Als man sie ihm wegnimmt, da man der Meinung ist, er würde sie reparieren statt sie nur zu konservieren, ist er am Boden zerstört.
Svens schöne Geste, das einzig richtige zu tun, nämlich ihm weiterhin Koffer zu bringen, trägt ihm zumindest ein wenig Wert - bzw. Geringschätzung des Mannes ein, für den er sorgen soll, was er ja auch tut, gerade dadurch, dass er ihm weiterhin eine Aufgabe gibt. Doch der Schwindel fliegt bald auf, alle Beteiligten sind enttäuscht, jedoch aus verschiedenen Gründen.
Es entwickelt sich dann langsam etwas zwischen ihnen, aber ich würde nicht so weit gehen, es Freundschaft zu nennen, mehr eine gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung. Vielleicht kann man aber auch nicht mehr erwarten?
Ich habe mir den Film also angeschaut und irgendwann kam dann der Moment, ab dem ich Minute um Minute, Sekunde um Sekunde hoffte, jetzt würde "es" endlich kommen, aber "es" kam nicht.
Meiner Meinung nach fehlte einfach die Substanz. So viele Dinge kamen nicht richtig raus, wurden nicht klar, auch die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit fand eben - meiner Meinung nach - nicht statt. Man erfuhr nicht wirklich viel über Krzeminski, der doch gerade dafür die Schlüsselfigur gewesen sein könnte und auch Sven schien nicht besonders interessiert an der ganzen Sache, nämlich der Vergangenheit.
Ich denke, er wollte einfach nur schnell diese Zeit hinter sich bringen, die er ursprünglich in einem Jugendheim in Amsterdam hatte verbringen wollen - was man ihm ja nicht unbedingt verübeln kann
In einem Interview meinte Regisseur Robert Thalheim, er hätte die Figur des Sven, einen am Anfang nicht besonders sympathischen jungen Mann, deshalb gewählt, weil er seiner Ansicht nach der richtige war, um in die Geschichte hineinzuführen.
Die Rolle ist jedoch keine Herausforderung, lediglich der Drehort könnte eine sein, aber die Figur des Sven setzt eigentlich keine besonderen schauspielerischen Leistungen und Begabungen voraus.
Als er Ania begegnet ändert sich freilich einiges. Sie wird eine wichtige Ansprechperson für ihn, doch kann er einerseits nicht verstehen, warum sie in einer solch einer Stadt leben kann - ihre sehr richtige, ehrliche Antwort darauf: Ich lebe halt hier, bin hier geboren, hier aufgewachsen, habe immer schon hier gelebt. - und andererseits, warum sie ihn verlässt, um in Brüssel ein Stipendium anzunehmen ("Das ist meine einzige Chance hier rauszukommen").
Es ist ein wunderbar unaufgeregter Film - das kann man ihm auf jeden Fall zugute halten. Man bekommt ein paar wirklich gute, teils auch schöne Dialoge zu hören, etwa am Anfang, als Krzeminski mit seinen Freunden Witze reißt, während Sven, kein Wort verstehend, ungeduldig darauf wartet, dass er den alten Kauz endlich ins Lager zurückbringen kann - schließlich hat seine Schicht schon vor einer Stunde geendet.
"Frag ihn mal, ob sein Opa schon hier gearbeitet hat" - "Aha, die deutsche Armee ist wieder in Auschwitz!" (als Sven einem jungen polnischen Musiker, der sich später als Anias Bruder herausstellen soll, auf Englisch versucht zu erklären, was "Zivildienst" ist und sich nur mit "civil service army" zu helfen weiß) - "Wenigstens haben wir jetzt einen Deutschen als Chauffeur, ist doch ein Fortschritt".
Regisseur des Filmes ist Robert Thalheim, der mit "Am Ende kommen Touristen" seinen Diplomabschlussfilm abgeliefert hat. Inspiriert wurde er nach eigenen Angaben dadurch, dass er als Zivi selbst einige Zeit in Oswiecim verbracht hat.
Die Idee an sich ist ja auch sehr gut und würde eigentlich verdammt viel hergeben, aber hat mich persönlich das Team rund um Thalheim, Hans-Christian Schmid (u.a. Requiem) und all die anderen, vor allem als es darum ging, die vielzitierte "message" rüberzubringen, etwas enttäuscht.
Ich weiß nicht, vielleicht bin ich ja die einzige mit diesem (quälenden?) Gedanken, denn all die anderen Kritiken, die ich gelesen habe, waren mehr als nur voll des Lobes für den Film, den Regisseur, die Schauspieler .. Wofür man das Team jedoch (über alle Maßen) loben muss, ist, dass er völlig ohne jeglichen Kitsch auskommt - eine echte Leistung, wenn man mich fragt.
Zum Schluss noch ein Zitat aus dem Film: Als Krzeminski bei einer Rede genau in dem Moment, in dem er daran erinnert, dass Menschen in Auschwitz allein hinsichtlich ihrer "Verwertbarkeit" angesehen wurden, von der ungeduldigen Organisatorin weggedrängt wird, ist Sven der einzige, der die Ungeheuerlichkeit ihres Verhaltens wahrnimmt. Die Organisatorin wechselt später einige Worte mit Sven:
"Das ist wirklich ein beeindruckender Mann, dieser Krzeminski. Was mag in jemandem vorgehen, der das alles erlebt hat?" - "Tja, hätten sie ihn vielleicht ein bisschen ausreden lassen sollen." - "Ich hatte das Gefühl, dass sein Vortrag an Wirkung verlor." - "Was soll `n das für `ne Wirkung haben? Es geht doch darum, dass er einfach ein bisschen erzählt. Kann er doch dann selber entscheiden, wie lange." - "Es hat nicht jeder die Kraft sich mit der Vergangenheit so auseinanderzusetzen wie Sie. Ich find das gut, was Sie machen. Wie Sie hier arbeiten."
Ein grundsätzlich interessanter Film, bei dem's ein bisschen an der Umsetzung hapert ...