OT: All the Money in the World
DRAMA/THRILLER: USA, 2017
Regie: Ridley Scott
Darsteller: Christopher Plummer, Mark Wahlberg, Michelle Williams, Charlie Plummer, Romain Duris
Die wahre Geschichte der Entführung von John Paul Getty III, des Enkelsohns des damals reichsten Mannes der Welt. Der sich sich trotz Milliardenvermögens weigerte, das Lösegeld zu bezahlen ...
Es ist immer wieder verblüffend, wie produktiv bestimmte Regisseure im Spätherbst ihres Lebens werden: NACH ALIEN: COVENANT ist ALLES GELD DER WELT der zweite große Film, den Ridley Scott, mittlerweile 80 Jahre alt, 2017 fertigstellte. Der Fall Kevin Spacey hat dem Film dabei Publicity gebracht, auf die er gerne hätte verzichten können: Bekanntlich beschloss Scott, den wegen sexueller Übergriffe zur Persona non grata gewordenen Oscar-Preisträger Kevin Spacey (AMERICAN BEAUTY, 1999) nachträglich durch Christopher Plummer zu ersetzen. Ein in der Filmgeschichte beispielloser Vorgang. Kevin Spacey spielte ja nicht irgendeine kleine Nebenfigur, sondern die Hauptrolle!
Wenn man den Film mit dem 88-jährigen Christopher Plummer gesehen hat, fällt es schwer, sich vorzustellen, dass der 30 Jahre jüngere Spacey in dieser Rolle überzeugt hätte. Trotz der kolportieren täglichen fünfstündigen Alters-Make-Up-Prozedur. Der stets unberechenbar gebliebene Regie-Veteran Scott verfilmt die wahre Geschichte des Entführungsfalls mit einer Dynamik, von der sich manch halb so junger Filmemacher eine Scheibe abschneiden könnte: Die Kindheit des jungen Getty, seine Entführung als Jugendlicher und die Aufstiegsgeschichte des alten Getty zum milliardenschweren Öl-Tycoon werden parallel erzählt. Was davon Fakt ist und was Fiktion, kann ich allerdings nicht beurteilen.
Was mich bei aufwendigen Filmen dieser Art immer wieder fasziniert, ist, wie stimmig die Siebziger Jahre rekonstruiert wurden, die Frisuren, die Kleidung, die Inneneinrichtung, die Autos. Alleine schon den logistischen Kraftakt, Dutzende noch fahrtüchtige Fiat 125 und Alfa Romeo Giulia (das klassische, bis 1978 gebaute Modell, das auch die Carabinieri verwendeten) aufzutreiben, stelle ich mir mühsam vor. Und es wurde geraucht, im Flugzeug, im Taxi, im Restaurant, im Büro, bei der Polizei, einfach immer und überall.
Christopher Plummer legt den schwerreichen, grotesk geizigen Öl-Tycoon Getty als eine Mischung aus Dabobert Duck und Kaiser Hadrian an: Es gibt eine Szene, in der er mit seinem Enkelsohn durchs Kolosseum spaziert und dem eingeschüchterten Buben weißmacht, er sei die Reinkarnation des römischen Kaisers. Wie Orson Welles in Citizen Kane igelt sich der Alte in einem Palast ein, wo es alles gibt, was das Milliardärsherz begeht: Marmorstatuen, obszön teure Kunstschätze und wahrscheinlich auch ein Klo aus Gold und Elfenbein.
Dass all diese Reichtümer natürlich nicht glücklich machen, mag eine triviale Binsenweisheit sein. Bebildert ist sie in diesem Film jedenfalls opulent. Dass der alte Getty als Charakterschwein kolossalen Ausmaßes gezeichnet wird, ist übrigens eine falsche Fährte, der man fast schon zu bereitwillig folgt. Ganz am Ende - kein Spoiler - gibt es eine zwar nichts entschuldigende, aber zumindest finanztechnisch einleuchtende Erklärung für sein Handeln bzw. Nicht-Handeln im Falle des zu zahlenden Lösegeldes.
Der Film zerfällt in einen Drama- und einen Thriller-Part. Packend sind sie beide. Und: Die immer supere Michelle Williams als verstoßene Schwiegertochter, die um ihren Sohn kämpfen muss, hat die vielleicht einprägsamste Rolle in diesem beachtlichen Film.
Da ist er nun, Ridley Scotts vieldiskutierter, 100% Kevin Spacey-freier Entführungs-Thriller, basierend auf dem Fall J. Paul Getty III. In den USA mal wieder gefloppt wie schon der grandiose (bzw. umstrittene, je nach Sichtweise) THE COUNSELOR. Soll heißen: Wer das Spätwerk des stets unberechenbaren Regisseurs zu schätzen weiß, sollte rasch einen Kinobesuch einplanen. Lang wird der sicher nicht laufen ...