OT: Oouru naito ringu
HORROR: JAPAN, 1992
Regie: Kasuya Matsumura
Darsteller: Eisuke Kadota, Ryosuke Suzuki, Yoji Ietomi, Hiromasa Taguchi
Drei junge Männer im Alter von 17 bis 19 Jahren werden Zeuge eines bizarren Verbrechens. Ohne ersichtlichen Grund sticht ein Geschäftsmann in Anzug und Krawatte an einem Bahnübergang ein junges Mädchen nieder. Zur Verarbeitung des Gesehenen treffen sich die drei sehr unterschiedlichen Teenager erst einmal zu einem Saufabend. Und damit ist die verhängnisvolle Schicksalsbande geknüpft: Als die Freundin des Siebzehnjährigen von einer sadistischen Jugendgang vergewaltigt und ermordet wird, entschließt sich das Trio zur Selbstjustiz. Im Verlaufe des anschließenden Blutbades überschreiten sie dieselbe Grenze, die die Mörder des Mädchens längst hinter sich gelassen haben
KRITIK:Dieser Film markiert den Einstieg in die berüchtigte OOURU NAITO RONGU - Reihe, die vielleicht extremste und nihilistischste Filmserie im Horrorbereich, die trotz aller Tabubrüche noch ein Anliegen zu haben scheint. Im Vergleich zu den unglaublichen Gewalt- und Erniedrigungsexzessen der Teile 2 und 3 ist ALL NIGHT LONG 1 beinahe noch moderat gehalten. Was freilich nichts an der Tatsache ändert, dass der Film ebenso negativ und durch und durch nihilistisch wie seine Nachfolger ist.
Allerdings ist diese Studie arktischer sozialer Kälte und einer im Kern fauligen Gesellschaft weitaus stiller als die viel drastischeren in ALL NIGHT LONG 2 und 3 und präsentiert zumindest anfänglich noch so etwas wie Identifikationsfiguren, die man in den späteren Teilen der Serie nicht mehr findet. Aber bereits hier haben selbst die "guten Jungs" gehörig einen an der Klatsche und mehr als nur geringfügige seelische Probleme.
Dabei erscheint der Jüngste des Trios noch der Normalste zu sein: Ein netter, ruhiger Junge, dessen Traum es ist, Flugzeugmechaniker zu werden und der die erste große Liebe seines Lebens trifft. Bezeichnend für Matsumuras Geschichten ist allerdings, dass gerade dieser Sympathieträger nachdem sich seine beruflichen Zukunftspläne zerschlagen haben und sein Mädchen vergewaltigt und ermordet wurde, ganz schnell selbst jegliche Menschlichkeit verliert und seinerseits barbarisch mordet und vergewaltigt.
Am Ende von ALL NIGHT LONG steht wie in jedem Teil des Quintetts die vollendete Geburt eines gefährlichen Soziopathen, einem weiterem Raubtier in unserer Mitte.
Gorehounds, die vom krassen, den ALL NIGHT LONG - Filmen vorauseilenden Ruf bereits gehört haben, aber noch nicht das Vergnügen hatten, sei gesagt, dass der erste Teil nicht das Blut-und-Gedärme-Happening ist, was viele vielleicht erwarten.
Die Gewalt bricht erst im letzten Filmdrittel los und mit den tiefgehenden Charakterzeichnungen der drei Hauptprotagonisten davor wird das Gore-Department wohl weniger glücklich werden. Aber gerade die sind es, die ALL NIGHT LONG deutlich von einer plumpen Gewaltorgie abheben und im Zuschauer etwas berühren. Wer auf Explizites aus ist, dem sei das direkte Sequel nahe gelegt: Wegen "seines inakzeptablen Grundtons" wurde ALL NIGHT LONG 2 selbst in Japan (!) eine Kinoauswertung verweigert.
Doch Entschuldigung, wenn ich das jetzt schreibe; aber wer sich die perverse Gewalt des zweiten Teils nur ihrer selbst willen antun will, der ist meiner Ansicht nach auf dem besten Weg zum Protagonisten eben jener abgestumpften und grausamen Gesellschaft zu werden, die Matsumura in seinen Filmen anprangert.
Dieser Film ist eine bedrückende und verstörende Studie über eine kranke Gesellschaft und gleichzeitig der vergleichsweise (!) stille Auftakt zum berüchtigten ALL NIGHT LONG-Quintett, welches insbesondere mit seinen Teilen 2 und 3 in immer tiefere Abgründe menschlicher und sexueller Grausamkeiten abtauchte und eine lichtlose Welt aus Perversion und Gewalt beschrieb. Ist nihilistisch, macht aber nachdenklich.