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Alexander  - Revisited

Alexander - Revisited

EPOS: USA, 2004
Regie: Oliver Stone
Darsteller: Colin Farrell, Angelina Jolie, Antony Hopkins, Jared Leto, Val Kilmer, Rosario Dawson

STORY:

Ein Versuch über das komplizierte Leben des Alexander III. von Makedonien.

KRITIK:

Oliver Stones Alexander Verfilmung ist in meinen Augen eines der großen unverstandenen Werke des gegenwärtigen amerikanischen Kinos. Wieso es zu dieser Lawine an schlechter Rezeption kam ist mir bis heute nicht ganz klar, denn dieser Film lässt, was Intelligenz und Komplexität betrifft, alle anderen Neoepen, die als Meisterwerke gefeiert wurden wie z.B. Braveheart oder Gladiator, weit hinter sich. Ich wage mal vorauszusagen, dass Oliver Stones Alexander früher oder später als Klassiker gelten wird. (Und dabei kann ich gar nicht verlieren, denn wenn es nicht zutrifft, dann juckt es eh keinen, aber wenn doch, dann bin ICH derjenige, der es vorausgesehen hat;-).

Jedenfalls muss irgendjemand sehr Überzeugender wohl einen Schneeball geworfen haben, und der dann gerollt und gerollt ist und dabei immer größer wurde. Und auch ich kam etwas ratlos aus dem Kino damals. Auch ich wusste nicht so recht wie ich auf diese endlosen Gespräche von tuntig gestylten Schauspielern reagieren sollte, die mal an zwei Stellen von ziemlich beeindruckenden Schlachten unterbrochen wurden. Aber ich sah den Film wieder und war begeistert. Und als ich dann, zugegeben mit zweijähriger Verspätung, erfuhr, dass Oliver Stone einen 205 Minuten langen Final Cut inklusive schön altmodischer Intermission angefertigt hatte, gab es nur noch das Problem auf die nächsten Ferien zu warten, um genug Zeit und Muße zu haben sich diese Fassung anzusehen.

Ich gebe zu Alexander hat ein kleines Problem, vor allem für jene, die meinen, sich mit der historischen Figur auszukennen. Der Film versucht nicht die historische Figur Alexander zu zeichnen, sondern bietet vielmehr eine moderne Interpretation zwischen Psychoanalyse und Globalisierung. Das mag einerseits an den hohen Kosten liegen, wer dreht schon einen 200 Millionen Dollar Film mit einem selbstherrlichen Massenmörder als Bezugspunkt, andererseits aber an Oliver Stones Position als Vorzeigelinker des amerikanischen Kinos.

Alexander ist durch und durch von seinen mythischen Elementen befreit und dafür in eine begeisterte Parabel auf die Gleichheit aller Menschen umgearbeitet worden. Oliver Stone benutzt seinen Helden wahrscheinlich um seine Ideale mithilfe einer der bedeutendsten historischen Figuren der Weltgeschichte aufzuarbeiten. Natürlich inklusive mehr als angedeuteter Bi- oder nennen wir es mal Multisexualität;-)

Und warum auch nicht. Auch Jeanne d'Arc wird in Frankreich von so gut wie allen ideologischen Richtungen benutzt. Den Nationalisten ist sie ein Held, da sie die Engländer besiegt hat, der Kirche eine Heilige, weil sie mit Gott gesprochen hat, den Feministen eine Leitfigur, da sie als Frau im Mittelalter eindrucksvoll ihre Managementaufgaben gemeistert hat.

Warum soll also Oliver Stone nicht eine ungeheuer komplexe Figur dazu benutzen um den europäischen Traum künstlerisch zu seinen Gunsten auszudeuten. Sein Alexander spricht von einer Welt in Frieden, wo sich die Menschen verschiedenster Länder und Kulturen als ebenbürtig betrachten, wo sie sich austauschen und frei reisen können. Oliver Stones Alexander muss dafür viel Verachtung von seinen "Pares" aus Mazedonien einstecken, weil diese empört sind, dass er keine der ihren als erste Frau nimmt, weil er Persern hohe Ränge in seiner Armee zugesteht, weil er Milde walten lässt in den eroberten Gebieten.

Daneben lässt er auch die psychologischen Aspekte seiner Hauptfigur nicht zu kurz kommen. Ein handfestes Königsdrama wird aus dem gestörten Verhältnis zu seinen Eltern gestrickt. Sein übermächtiger, aber trunksüchtiger Vater, seine innig liebende, aber pathologisch konspirationalistische Mutter, die durch ihre Intrigen nur Misstrauen sähen könnte, Alexanders Zerrissenheit zwischen den beiden, sein Eroberungsfeldzug, der beinahe als Flucht vor ihren Klauen und seiner Macht, die noch nach dessen Ermordung währte, gedeutet werden kann.

Viele Kritiker schrieben, es fehle die Bezugsfigur, es fehle der Antagonist. Verzeihung, muss jeder Film nach dem Gut gegen Böse Schema ablaufen? In Alexander sind der Zeitgeist und die inneren Dämonen der Antagonist. In Alexander sind die Ideen und die "Wanderlust", wie die Romantiker so schön sagten, der Protagonist.

Ja, oh Gott, ein Film, der es halt wagt seine Hauptgeschichte auf einer geistigen Ebene zu erzählen. Ist das nicht großartig, ist das nicht erfrischend anders? Die eindrucksvolle Darstellung des geistigen und materiellen Weltbildes von damals, angefangen von einem frauenfeindlich und überhaupt faschistischen Aristoteles, dessen Lehren vom Hellenisten als Leitkultur und Übermenschen vom jungen Alexander niemals akzeptiert wurde, über die atemberaubenden Paläste der Hure Babylon bis zu den Bergnomadenvölkern im Hindukusch-Gebirge.

Alles in einer, zumindest religiös, wunderbaren Zeit, da die Weltzerstörungsreligionen Christentum und Islam und die noch viel gefährlichere Ideologie des Nationalismus noch lange nicht erfunden waren. Es ist unheimlich mitreißend Alexanders Suche nach dem Ende der Welt mitzuerleben, wie nach jedem Berg ein weiterer kommt, wie sein "fahrender Staat" mit jedem Kilometer auf den Gebieten des heutigen Afghanistan und Turkmenistan weiter ausmergelt, während der visionäre Alexander nicht und nicht ankommt und mit der Müdigkeit und dem Unverständnis seiner leidenschaftslosen Mitstreiter zu kämpfen hat. Aber er hat auch nicht deren Heimatgefühl, er bleibt ein einsamer Suchender zwischen den Welten, nach einem Ausweg aus der geistigen Leere der materiellen Verbundenheit mit der Heimatscholle, die im Endeffekt nichts als den Tod bietet.

Und so entsteht in diesem Film ein wirklich eindrucksvoll über mehrere Schichten verwobenes, atemberaubendes Mosaik, das einen Sog erzeugt, wie nur selten ein Film. Selten wurde ich emotional, intellektuell, spirituell, aber auch auf meiner Ebene, die Fantasie und das Spektakel liebt, so umfassen auf simultane Weise befriedigt.

Und sogar die Schauspieler, die ich beim ersten Mal als Zumutung empfunden habe, werden bei jedem Mal besser und passender. Allen voran Colin Farrel, den ich eigentlich nicht mag und für einen der überschätztesten Stars dieser Tage halte. Keine Ausstrahlung, kein Charisma, und eine verkümmerte Seele, wie man aus seinem Blick unschwer erkennen kann. Aber genau so habe ich mir Alexander vorgestellt. Ein von Zweifel zerfressener und von Minderwertigkeitskomplexen beladener Charakter mit tuntigem Aussehen (hey, es ist das alte Griechenland). Besser hätte man es in meinen Augen nicht treffen können. Dieser Film verlangt danach, dass man sich mit ihm auseinandersetzt. Wer dies aber tut, der wird reich belohnt werden, das verspreche ich.

Alexander  - Revisited Bild 1
Alexander  - Revisited Bild 2
Alexander  - Revisited Bild 3
Alexander  - Revisited Bild 4
Alexander  - Revisited Bild 5
Alexander  - Revisited Bild 6
Alexander  - Revisited Bild 7
FAZIT:

Intensives, hysterisches, kraftvolles und visionäres Historienepos, das durch seine weiten Verzweigungen aus psychologischer Perspektive, opulenten Schauwerten, historischer Darstellung und modernem Zeitgeist ein beeindruckendes und für einen Film dieser Art erstaunlich komplexes Gesamtbild erzeugt. Mit dem Final Cut hat Regisseur Oliver Stone endlich schlussendlich das Meisterwerk geschaffen, das wir uns erhofft haben.

WERTUNG: 9 von 10 Mosaiksteinen
TEXT © Ralph Zlabinger
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EPOS: USA, 2004
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Christian | 29.12.2016 10:11
Von der ersten Fassung war ich vollends begeistert, und habe nie ganz verstanden, warum der Film so zerisssen wurde, und habe es z.B. auf Colin Farrell geschoben, zu dem ich genau die gleiche Meinung teile wie im Beitrag beschrieben. Aber spätestens beim 2ten Hinsehen macht auch genau dieser Charakter diesen (Original-)Film zu diesem (unerwarteten) Erlebnis.

Habe nun ca. 10 Jahre später die Revisited-Fassung konsumiert, und erkenne den Film nicht wieder. Es fehlt nun eine ganz gehörige Portion Theatralik, Wahnsinn, "Geschichte" und ähnliches, und so mancher Dialog oder manche Szene ist weg, anderst betont, oder anderst dargestellt, und dies aus meiner Sicht nie ins Bessere.
>> antworten
wambojambo | 10.04.2012 15:36
Ein wahres Meisterwerk, das Ebenen in der Psyche anspricht, die in sehr gut gemachten aber letzten Endes doch hohlen Filmen wie Troja. Gladiator etc. nicht mal andeutungsweise berührt werden.
>> antworten
Bianca | 02.01.2010 23:21
zitat:
Ich wage mal vorauszusagen, dass Oliver Stones Alexander früher oder später als Klassiker gelten wird.

Gut. aber nenn doch bitte ein paar Beispiele bei denen es genauso war.
"Unterschätzte" Filme die später hochgejubelt wurden... sicher. Aber SO verrissene/schlechtgeredete Filme? Spontan fällt mir keiner ein.

PS: Nur rein informativ. Nicht als "Kritik" gemeint!!
Ralph | 03.01.2010 04:00
Star Wars, Peeping Tom, Vertigo,.... fallen mir spontan ein.
Harald | 03.01.2010 10:33
Titanic. Ist zwar nicht ganz mein Fall, aber getaugt hat's mir schon, wie der von neidischen Journalisten vorab daherfantasierte Millonenflop zum gewaltigen Triumph wurde.
>> antworten
FA | 31.12.2009 11:18
Interessante Kritik - bin gespannt was nun am Ende diese Schnittfassung bei mir für einen Eindruck hinterlässt (bisher steht zB Gladiator noch höher im Kurs)
>> antworten
Movie King | 29.12.2009 22:04
Nach langer suche im netz endlich mal eine kritik zu alexander die meine meinung 100% teilt! Danke Ralph!
habe den film nun nach dem anschauen des final cut's (hat ja leider ewig gedauert bis der auf dt. erschienen ist) auch von "8 auf 9 gefolgsleuten von alexander" auf imdb hochgehoben. mir hat er aber schon damals als ich die kino version gesehen habe spitze gefallen.-)
Nochmals danke für deine kritik, dieser film hat eine solche wirklich verdient und ist jetzt schon für mich ein meisterwerk der filmgeschichte!
Ralph | 31.12.2009 12:50
Wie schön, ein Bruder im Geiste;-)
>> antworten
Nic | 28.12.2009 09:11
sehr schön, auf diese fassung hab ich lange gewartet. oliver, we love you! ;-)
Ralph | 28.12.2009 10:48
Übrigens, ich mochte Gladiator und Braveheart sehr, also bitte nicht falsch verstehen. Aber dieser Alexander hat's mir angetan...
Nic | 28.12.2009 10:50
angi tuts mir auch an ;)
Nic | 28.12.2009 12:46
btw wie siehst du Troja vom W. Petersen?
Ralph | 28.12.2009 15:17
Den finde ich auch voll okay. Petersen wollte einfach einen unterhaltsamen Film drehen ohne allzuviel "Kunst" und ich denke, das ist ihm gelungen. Und auch ohne auf Männer zu stehen muss ich zugeben, dass Brad Pitt allen Frauen die Show stiehlt;-)
Nic | 28.12.2009 15:26
hab den cut grad das erste mal gesehen..definitiv besser im gesamteindruck als die 2 anderen versionen...für ein meisterwerk fehlt mir die schauspielerische qualität und die charakterentwicklung. ca so wie bei avatar. deswegen 8/10
Ralph | 28.12.2009 17:40
Also je öfter ich ihn sehe, desto mehr mag ich die Schauspieler. Und Val Kilmer ist hier sowieso in der Rolle seines Lebens, oder? (Hab Doors nur halb gesehen;-)
Und bei der charakterentwicklung: Ist Alexander nicht einer der wenigen Filme, der überhaupt Charakterentwicklung beeinhaltet? Umsomehr, da Oliver Stone einen sehr psychologischen Zugang wählt.
Harald | 28.12.2009 21:05
sehr guter Val Kilmer: Wonderland. Und natürlich Top Secret ;-)
Nic | 28.12.2009 21:39
wie wärs mit Heat? ;)

naja, ralph, für mich is die psychologie zu einfach gestrickt, und das daraus resultierende setup zu langweilig und berechenbar. hat wahrscheinlich auch nicht geholfen laufend 10-jahres-sprünge zu machen ;)
Ralph | 29.12.2009 14:23
Also ich bin da nicht deiner Meinung. Nenne mir bitte ein Beispiel eines Filmes, wo die Psychologie nicht "einfach" gestrickt ist.
Andreas | 29.12.2009 17:49
tale of two sisters
Ralph | 30.12.2009 02:26
Den kenn ich natürlich überhaupt nicht;-)
Andreas | 30.12.2009 08:45
dann wirds aber zeit. review hat harald hier geschrieben...
>> antworten
Harald | 27.12.2009 23:13
Movie-Review of the Year!
Nic | 28.12.2009 10:23
hier Braveheart und Gladiator zu nennen geht zu weit ;)
Ralph | 28.12.2009 10:46
Danke, das ist ja schon zuviel der Ehre. Oder hast du dich beim Reviev geirrt;-)
Andreas | 28.12.2009 11:32
imo johannes sein "freitag, der 13."- verriss war das review des jahres... :-)
Harald | 28.12.2009 12:37
yo, die war auch super. aber lustige verrisse schreiben sich halt viel leichter als seriöse würdigungen von mißverstandenen meisterwerken.
Nic | 28.12.2009 12:44
welches war denn dein zuletzt kritisiertes, mißverstandenes meisterwerk?
Andreas | 28.12.2009 15:02
Nic, da fragst du noch? tip: es beginnt mit "new" und hört mit "moon" auf
Ralph | 28.12.2009 15:18
Ach Andreas, der war jetzt aber zuuu aufgelegt;-)
Harald | 28.12.2009 16:52
@Nic, du bist doch IT-Profi. Bräuchte dringend einen Spamfilter.
Codierungsvorschlag:

if (user=="Andreas") && (text.contains("New Moon"))
echo("Der hat schon sooo einen Bart");
Nic | 28.12.2009 17:09
hehe wollte dasselbe in einfachen worten posten ;)
Andreas | 28.12.2009 17:18
jetzt bin ich wieder der böse. wer hat denn mit "new moon" angefangen?
Ralph | 28.12.2009 17:32
Ich sterbe jetzt langsam an dem Dauerlachkrampf, den ihr mir da verursacht;-)
>> antworten