HORROR/DRAMA: USA, 2017
Regie: John Krasinski
Darsteller: John Krasinski, Emily Blunt, Noah Jupe, Millicent Simmonds
Tag 85 nach der Apokalypse: Aliens, die von Geräuschen angelockt werden, haben die Menschheit nahezu ausgerottet. Eine Familie durchstreift die menschenleere Landschaft, bis sie Zuflucht in einem verlassenen Haus findet. Man kommuniziert per Zeichensprache, denn das kleinste Geräusch kann den Tod bedeuten. Dass die Frau schwanger ist, verkompliziert die Lage zusätzlich ...
Willkommen beim meistgehypten Horrorfilm der Saison: Ausgesprochen euphorische Kritiken wohin man blickt und klickt, beachtliche Wertungen auf den einschlägigen Rating-Seiten und ein Kinostart, der die kühnsten Erwartungen noch übertroffen hat: 50 Millionen am ersten Wochenende, das hat nicht einmal der allseits gefeierte Horror-Überflieger GET OUT von 2017 geschafft.
A QUIET PLACE ist ein Film, der von einer außerirdisch guten Idee lebt und sein Konzept auch konsequent durchzieht - zumindest die erste halbe Stunde lang. Die hat es wirklich in sich: Der Film verzichtet völlig auf Dialoge und auch auf Musik und erzeugt damit eine Stimmung, die der Amerikaner mit dem schönen Eigenschaftswort "eerie" beschreibt: Unheimliche, unsichtbare, stets präsente Bedrohung. Jeder Laut, jedes gesprochene Wort, jedes Geräusch kann dein letztes sein. Sei mucksmäuschenstill, dann überlebst du vielleicht.
Leider scheitert das gewagte Konzept an den Realitäten des Kinobetriebs, sprich den notorischen Popcorn-Wiederkäuern und Chipsackerlraschlern. Für diese Klientel hat Regisseur John Krasinski, den serien-affinere Menschen als der Autor dieser Zeilen bestimmt von "THE OFFICE" kennen, ein paar nette Überraschungen parat, in Form von ausgesprochen effektiven Schockeffekten nämlich. Einmal ist meinem Sitznachbar tatsächlich vor Schreck der Popcorneimer aus der Hand gefallen. Well done, Mr. Krasinski. So sorgt man für nachhaltige Ruhe im Kinosaal.
So konsequent und zumindest für Mainstream-Verhältnisse radikal der Film in der ersten Hälfte zu Werke geht, so sehr schwächelt er in der zweiten. Ich sehe ihn förmlich vor mir, den Ko-Produzenten Michael Bay, wie er die Drehbuchautoren zur Sau macht. Kleine Spoiler leider unvermeidlich:
"Aufwachen, Leute, die Stummfilmzeit ist vorbei! Wir brauchen mehr Action, wir sind ja keine verfickten französischen Arthouse-Weicheier! Okay, die Frau ist schwanger. Interessante Idee, da lässt sich was draus machen. Lassen wir die Wehen einsetzen, während ein Alien durchs Haus kriecht. Oh, wait. Das ist doch nicht actionreich genug! Sie muss vorher noch auf einen rostigen Nagel treten! Und nachher muss die Hütte überflutet werden! Ja, das Wasser muss bis zum Dach stehen. Und wir brauchen elektronische Geräte. Bildschirme, Computer, Oszilloskope. Und rote Lampen, hunderte davon. Wie im Labor von Doc Brown aus Zurück in die Zukunft. Woher in der Post-Apokalypse der Strom kommt? Wieso fragt ihr mich das? Bin ich etwa der verfickte Doc Brown aus Zurück in die Zukunft?"
So in etwa muss es sich wohl zugetragen haben. Ich bin nun wirklich der letzte, der Genre-Unterhaltungsfilme auf Logik und Plausibilität abklopft. Aber wenn sich ein Film zu Beginn sichtlich bemüht, ein realistisches Bild einer Familie in Extremsituationen zu zeichnen, sind dermaßen überzogene Einfälle wirklich schmerzlich.
A QUIET PLACE ist ein Horrorfilm, der von einer außerirdisch guten Idee lebt. Und in der zweiten Hälfte sein Potential durch Logiklücken, die so krass sind, dass sie sogar mir auffallen, und überzogener Action im Michael Bay-Stil (der ja auch produzierte) in Stücke schießt. Schade drum.