OT: 31 - A Rob Zombie Film
HORROR: USA, 2016
Regie: Rob Rombie
Darsteller: Sheri Moon Zombie, Malcolm McDowell, Meg Foster, Richard Brake
Fünf Menschen auf der Durchreise geraten in die Fänge von Doom-Head, Sick-Head, Schizo-Head, Psycho-Head, Death-Head und Sex-Head. Die Wetten sind gesetzt, und das Spiel, das da lautet: 12 Stunden am Leben zu bleiben, beginnt.
"Ein erstes Zeichen beginnender Erkenntnis ist der Wunsch zu sterben."
Ein Rob Zombie-Film, dem ein Zitat von Franz Kafka vorangestellt wird. Das ist neu. Und es soll die einzige wirkliche Neuerung bleiben.
Mit THE LORDS OF SALEM (2012) hat der zottelige Meister des Retro-Terrorkinos bekanntlich versucht, sich neu zu erfinden: Weg von seinen "Rednecks go on rampage"-Flicks, hin zu okkultem, Polanski-inspiriertem Indie-Horror. Ich mochte diesen Film, stehe mit meiner Meinung aber relativ einsam da. Die Mehrheit der Fans war not amused, beim /slash-Festival damals gab's gar unschöne Unmutsäußerungen. SALEM geriet zum Flop, der nicht einmal sein eh schon lachhaft niedriges Budget von knapp 1.5 Millionen Dollar wieder einspielen konnte.
31 - A ROB ZOMBIE FILM wirkt wie eine Back-to-the-Roots-Therapie für den mittlerweile 51-jährigen Regisseur und Teilzeit-Musiker. Die bescheidenen finanziellen Mittel aus Crowdfunding-Herkunft sieht man dem Film keineswegs an. Zombie hat ein Auge fürs Visuelle, und er ist wirklich gut darin, mit wenig Geld beachtliche Bilder auf die Leinwand zu zaubern. Die Reise geht zurück in die Seventies: Wir schreiben den 31. Oktober 1976. Es ist Halloween. Wir begleiten eine Gruppe von Freunden auf ihrer Reise entlang der staubigen Landstraße gen Texas. Die ausgelassene Stimmung wird jäh durch eine Straßensperre getrübt. Unsere Freunde werden überfallen, verschleppt und finden sich als Spielfiguren in einer Grindhouse-Variante von "Running Man" wieder.
Ein großer Geschichtenerzähler war der gute Rob freilich noch nie. 31 ist selbst für Zombie-Verhältnisse simpel gestrickt: Fünf Freunde, eine Horde psychopathischer Killer-Clowns, Malcom McDowell als Spielleiter, und das große Schlachten kann beginnen. Mangelnde Härte wird Zombie diesmal niemand ersthaft vorwerfen können. Der Regisseur hat sich fast schon krampfhaft bemüht, den nihilistischten, grindigsten, ordinärsten, (pseudo-)provokativsten Horrorfilm der letzten Jahre abzuliefern. Kettensägen-Gemantsche? Check! Ein Zwerg im Hitler-Outfit? Check! Kannibalismus? Check! Hate-Fucks? Check!
Und dann die "Dialoge". Es ist ja nicht so, dass meine zarten Konfirmandenöhrchen im Kino nach "safe spaces" verlangen. Aber vielleicht sollte jemand Rob Zombie einmal den Unterschied zwischen unkorrektem Sprachwitz und verbalem Brechdurchfall erklären. Sorry, Ergüsse wie "Steck dir die Finger in deine ausgeleierte Fotze, du dreckige Schlampe" gehören in letztere Kategorie.
Ich will allerdings nicht so weit gehen wie manche Kollegen aus der schreibenden Zunft, die dem Regisseur pathologische Misogynie unterstellen. Interessant ist nämlich, dass Zombie Frauenrollen durchaus progressiv castet. Die 68-jährige Meg Foster (SIE LEBEN) schlüpft in eine Badass-Rolle, und die 55-jährige E.G. Daily (FANDANGO, DOGFIGHT) mimt eine Harley Quinn-artige Stripperin aus der Hölle. "Body-positive" nennt man das jenseits des großen Teiches. Und auch eine unironische Sex-Szene zwischen zwei übergewichtigen Menschen wäre in Hollywood undenkbar.
Unironisch ist auch Zombies Zugang zum Grindhouse-Kino der Seventies, dem er in 31 mit allen Mitteln Tribut zollt. Härtegradtechnisch sowieso, aber vorallem stilistisch. Wiewohl digital gedreht, wirkt der Film in seinen grobkörnigen Sepia-Bildern wie aus der Zeit gefallen. Das TEXAS CHAINSAW MASSACRE lässt herzlich grüßen. Der abgründige erste Teil zu Beginn, aber auch der überdrehte, splatterfreudige zweite Teil ab Filmmitte. Lediglich die hektischen Schnitte in der Kettensägen-Kampfszene weisen 31 als Produkt der Gegenwart aus. Unabsichtigt, wie ich vermute. Der Film musste drei mal umgeschnitten werden, um das kommerziell tödliche NC-17-Rating abzuwenden. Dass der deutsche Verleih Tiberius Film 31 Unrated ins Kino bringen konnte, wollen wir unter Zeichen und Wunder verbuchen.
Die DVD (ebenfalls ungekürzt) steht seit März 2017 in den Läden.
Leicht macht es einem Rob Zombie mit seinem jüngsten Werk nicht: Tabuloser Splatter-Tarantino oder überdrehter Rektal-Gruselclown mit Tourette-Syndrom, das ist hier die Frage, auf die ich keine gescheite Antwort weiß. Nihilistisch as fuck, kann der Film zumindest formal überzeugen. Rob Zombies nach eigenem Bekunden "most brutal film" nimmt keine Gefangenen, sondern zerstückelt sie mit der Kettensäge. Irgendwo zwischen Texas Chainsaw-Hommage und (Pseudo-)Tabubruch mit der Brechstange gibt's jedenfalls ordentlich was zu glotzen. Der innere Gore-Bauer ist glücklich. An manchen Tagen will man gar nicht mehr.