OT: High Noon
WESTERN, CLASSIC: USA, 1952
Regie: Fred Zinnemann
Darsteller: Gary Cooper, Grace Kelly, Lloyd Bridges, Katy Jurado, Lon Chaney jr., Harry Morgan, Ian McDonald, Lee van Cleef
Sheriff Kane hat gerade geheiratet, als er erfährt, dass Frank Miller, ein Mann, den er hinter Gitter gebracht hat, früher entlassen wurde und mit dem 12-Uhr-Zug erwartet wird. Und Miller hat blutige Rache geschworen. Die StadtbewohnerInnen raten dem Sheriff, früher als geplant zu seiner "Hochzeitsreise" aufzubrechen, was er anfangs einsieht und macht. Doch schnell übermannt ihn Pflichtgefühl. Er will Miller die Stadt nicht kampflos überlassen. Trotz der Drohung seiner frisch Angetrauten, ihn zu verlassen, wenn er umkehrt, macht er genau dieses. In der Stadt sucht er bei den BürgerInnen Unterstützung für den bevorstehenden Kampf, doch zu Kanes Enttäuschung verstecken sich diese lieber, verleumden und verraten ihn, den jahrelangen Hüter der Stadt. Sie verweigern jegliche Hilfeleistung. Bloß ein Kind und ein Krüppel wollen helfen, doch Kane lehnt ab. Als es letztendlich "High Noon" schlägt, tritt er alleine gegen Miller und seine Spießgesellen an.
Überraschend hilft ihm seine Braut Amy, eine Quäkerin, schlagkräftig, und das, obwohl ihre Religion jegliche Gewaltanwendung generös ablehnt.
Leider bin ich nicht versiert genug, ein Special auf die Beine zu stellen, darum hier meine Version eines Specials, der Tragödie erster Teil: DIE LETZTEN SHERIFFS: BASICS.
Was kann man noch groß zu einem Film sagen, dessen Ruf als Klassiker unwidersprochen einbetoniert ist und über den schon so viel gesagt wurde? Ich habe mir das Grundmotiv angeschaut, um ein wenig erstaunt festzustellen, dass mit diesem Film eine Saat gelegt wurde, welche seit Jahrzehnten immer wieder aufs Neue das Celluloid zum Erblühen bringt, öfters wunderlich denn qualitativ überzeugend, variantenreich und andauernd. Letzte Sheriffs!
Wer war eigentlich nochmal Gary Cooper? Ah ja, Stummfilm-Raubein, das für viele überraschend den Sprung zum Tonfilm geschafft hat, ewiger Westerner und Abenteurer (z.B. DIE TEUFELSBRIGADE). Eine fixe Größe, ja - aber Superstar, nein! Zum Zeitpunkt von HIGH NOON war er schon alt und verbraucht. Die Krankheit, die ein paar Jahre später sein Leben beenden sollte, begann, ihn schnell und massiv zu zeichnen. Was lag also näher, ihn so darzustellen, wie er zum Entstehungszeitpunkt des Films war: ausgebrannt, resignativ und einsam - möglicherweise der Letzte seiner Art.
Ob das nun wirklich die Beweggründe des Austro-Exilanten Zimmermann waren, wage ich nicht, zu behaupten, aber möglich wär's. Tatsache ist, Zinnemann war zwar schon eine Weile gut im Geschäft, z. B. DAS SIEBTE KREUZ und er sollte auch noch nach HIGH NOON mit VERDAMMT IN ALLE EWIGKEIT u. a. ein Garant für Spitzenkino bleiben. Auf alle Fälle hat er den richtigen Riecher bewiesen und gleichzeitig Zeit gefunden, neue Wege zu gehen. Vorlage für den Film war eine Kurzgeschichte von John Cunningham namens "Tin Star", um deren Filmrechte sich einige der Regiegrößen jener Zeit bemühten. Seinen Kameramann Floyd Crosby hat er angewiesen die Fotografie des Films an Bürgerkriegsfotografien zu orientieren und mit der berühmten Zug-Bahnhof-Bösewicht-Held-Szene machte er einen mutigen spannungsgeladenen Schnitt-Schritt, den ein gewisser Herr Leone einige Jahre später in SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD hommagierte und perfektionierte.
Somit hat er als einer der ersten dem Wilden Westen zu einer Öde und Trostlosigkeit verholfen, die den Italo-Western später so ganz anders machte und auszeichnete. Einziger Unterschied war der Zugriff auf das uramerikanische Motiv des aufrechten Sheriffs. Denn bei Leone & Co. schoss man lieber durch Dollarmünzen statt Sheriffsterne. Die braven Gesetzeshüter waren dort, sofern sie überhaupt vorkamen, bestenfalls Randerscheinungen und Kanonenfutter ohne tiefere Bedeutung.
Auch nicht unmutig Zinnemanns Besetzung. Neben dem Veteranen Cooper besetzte er neue Gesichter, die auch noch ihren Platz im Film- bzw. TV-Olymp finden sollten. Grace Kelly gilt als seine Entdeckung, Lloyd Bridges war nie mehr wieder so schmierig und fies wie hier und was soll ich schon großartig über Lee van Cleef sagen.
Zusätzlich hatte Zimmermann mit Dimitri Tiomkin (ALAMO, BEI ANRUF MORD, GIGANTEN) einen der relevantesten Filmmusiker seiner Zeit unter Vertrag, den er einen Country-Schmachtfetzen sondergleichen, nämlich "Do not forsake me, oh my Darling", schreiben ließ, im Film gesungen von Tex Ritter, bekannt geworden durch die zeitgleich erschienene Version von Frankie Laine (fragt mich nicht, irgendein rechtlicher Quatsch). Die Oscar-Jury war durchaus angetan. Bester Filmsong. Und als Bestätigung auch gleich bester Score für den eher bombastisch orientierten Tiomkin. Langer Rede, kurzer Sinn. Goldener Griff an allen Fronten.
Jetzt muss ich aber noch zur Handlung kommen. Wir sind ja hier im subjektiven Teil von filmtipps.at. Wenn irgendetwas am häufigsten an HIGH NOON kritisiert wurde, dann die Kane-Darstellung durch Cooper. Raue Schale, aber letztendlich ein "Weichei". Doch genau diese Verletzlichkeit halte ich für die Antriebsfeder der Film-Stimmung. Nur dadurch sind die BürgerInnen der Stadt so typisch "menschlich" im negativsten Sinn. Nur darum ist alles so kalt. Erschütternd, mit welchen Argumenten Kane die Hilfe verweigert wird. Geistlich und Weltlich mögen unterschiedliche Prinzipien darstellen, die Feigheit wächst aber auf beiden Böden gleichermaßen. Wegschauen, Nichtstun mag menschenverachtend wirken, doch spiegelt es perfekt die Welt wider, damals wie davor oder heute. Grace Kelly schmeißt verkrampft mit Quäker-Doktrinen um sich, wie es heutzutage ein Tom Cruise mit seinen Religionsansichten macht. Und Gary Cooper steht daneben und man glaubt, jeden Moment beginnt er zu flennen. Lass es nur raus Sheriff! Und wirf den verdammten Stern weg!
Es gibt kaum eine Klassiker-Edition, wo HIGH NOON nicht gelistet ist. Immer wieder neu aufgelegt und abgetastet, als DVD zuletzt 2008 in der Arthouse-Collection und als BR aktuell 2013, ebenfalls bei ARTHAUS.
So, und jetzt muss ich weiter. Um ein paar Jahrzehnte in eine andere Stadt. Na ja, Stadt ist vielleicht übertrieben. Eher Bezirk. Siedlung. Wo viele Sheriffs wohnen. Und die trotzdem nur einen Sheriff haben - einen letzten. Wer will, bitte zusteigen. Der Zug hält nicht gerade HIGH NOON, aber er hält in COPLAND.
Ob er jetzt wem gefällt oder nicht, sei dahingestellt, aber dieser Film ist absolut und anerkannt (vielleicht) der Klassiker des Western-Genres. Hat man ihn nicht gesehen, braucht man nicht mitreden. Sorry.