OT: 11:14
EPISODENFILM: USA, 2003
Regie: Greg Marcks
Darsteller: Hilary Swank, Patrick Swayze, Henry Thomas
Um 23:14 Uhr treffen die Leben von vier Personengruppen in einer Kleinstadt auf unerwartete Weise zusammen. Drei randalierende und mit ihrem Van durch die Straßen ziehende Teenager überfahren in ihrem Rausch ein junges Mädchen, dessen Vater (Patrick Swayze) wiederum gerade dabei ist, eine Leiche zu entsorgen. Diese landet ungewollt auf dem Auto eines heimfahrenden Mittedreißigers (Henry Thomas), der bei seiner anschließenden Flucht vor der Polizei auf die Mutter des soeben gestorbenen Mädchens trifft. Das wiederum war gerade dabei, von seinen zwei Ex-Freunden Geld für eine Abtreibung einzutreiben, beide in dem Glauben lassend, sie seien der Vater des Ungeborenen. Um das Geld zu beschaffen, muss einer der beiden aber erst einmal einen Überfall im Laden einer Freundin (Hilary Swank) vortäuschen, bei dem auch nicht alles so glatt läuft, wie ursprünglich geplant ...
KRITIK:Wer von der Inhaltszusammenfassung nun ein wenig konfus zurückgelassen wird - keine Sorge. Als Zuseher bekommt man nicht etwa ein inhaltliches Wirrwarr präsentiert, sondern das durchaus klar strukturierte und logisch zusammenhängende Spiel mehrerer Charaktere, die, wie es der Verleih treffend beschreibt, "zur falschen Zeit am falschen Ort" sind. In dunklen Bildern - klar, der Film spielt schließlich spätnachts - und mit einer nicht zu übersehenden Portion Witz zeigt Regisseur und Drehbuchautor Greg Marcks, welche Auswirkung kleinste Handlungen und Motivationssprünge auf das Leben einiger anderer Menschen haben können. Dabei verkommt der Streifen allerdings nicht zum rührseligen Trauerspiel, sondern behält seine Leichtigkeit trotz zweier Toter, einer angeschossenen Ladenangestellten und dem Verlust eines adoleszenten Männlichkeitsmerkmals.
Weniger klar als die eigentliche Handlung sind dabei aber die Gedankengänge mancher Akteure. Nachdem ihm eine Leiche auf die Motorhaube fällt, hat der angetrunkene Jack offenbar nichts Besseres zu tun, als diese erstmal in seinem Kofferraum verschwinden zu lassen - anstatt einfach die Polizei zu rufen und den Vorfall zu melden. Es kommt natürlich, wie es kommen muss, und Jack ist der Gelackmeierte.
Ebenso Buzzy, die Ladenangestellte, die darauf besteht, von ihrem besten Kumpel beim Schein-Überfall angeschossen zu werden, da sie sonst ihren Job verlieren könnte - obwohl ohnehin keine Überwachungskameras ihren Dienst leisten und das Geld ja auch ohne Schussverletzung dahin ist.
Manch einer mag dies als amüsant betrachten - fraglich ist jedoch, inwiefern die Glaubwürdigkeit der Charaktere diesem Aspekt zum Opfer fallen darf. Es liegt wohl nicht zuletzt an dieser Tatsache, dass sich der Film im Laufe der Spielzeit von einem anfangs ernst wirkenden Drama zu einer düsteren Semikomödie entwickelt.
Letztendlich stellt sich aber vor allem die Frage, was uns Marcks mit seinem Filmdebüt hier präsentiert will. Einen Thriller? Dafür fehlt, entgegen der Vermarktung als düsterer Schicksalsfilm, einfach die Spannung, da die Ereignisse jeweils bis ins Detail erläutert werden und bis zum Schluss nur wenige Fragen offen bleiben, die dann schlussendlich auch noch aufgelöst werden.
Oder aber eine Komödie? Die heitere bis ironische musikalische Untermalung (übrigens vom genialen Clint Mansell komponiert) spricht dafür, ebenfalls einzelne Szenen, die teilweise ins Absurde abdriften. (Ein durchs zufallende Schiebefenster abgehackter Penis? Das sieht man wahrlich nicht oft.) Doch um in dieses Genre zu passen, ist der Film in seiner Gesamtheit einfach nicht lustig genug, und auch die dauerpräsente Gewalt tut dieser Interpretation nicht gerade einen Gefallen.
Vielleicht kann man "11:14" am ehesten als Parodie auf den mittlerweile schon ziemlich abgehalfterten Episodenfilm sehen, in welchem die Schicksale mehrerer Personen aufeinandertreffen und dies im Grunde den einzigen Inhalt des jeweiligen Films ausmacht. Vorbilder dafür gibt es genug, man denke bloß an POWDER BLUE, SHORT CUTS, FOUR ROOMS oder gar 71 FRAGMENTE EINER CHRONOLOGIE DES ZUFALLS - für sich keine schlechten bis richtig unterhaltsame Filme, die aber alle ein und derselben Idee folgen. So gesehen bietet der Film immerhin einen frischen Blick auf dieses Filmmotiv, dem aber leider der Feinschliff fehlt. Mit gerade einmal 87 Minuten Laufzeit bleibt auch nicht viel Spielraum für Tiefgründigkeit, und so oszilliert der Film irgendwo zwischen schwarzer Komödie, Fatalismus und zelebrierter Oberflächlichkeit, was zumindest wegen der mehr als soliden schauspielerischen Leistung der Darsteller im Grunde schade ist.
Die Moral der ganzen Geschichte könnte in etwa lauten: Schau beim Autofahren auf die Straße! Denn obwohl die Rostlauben der einzelnen Charaktere entscheidend zum Gesamtgeschehen beitragen, weiß kaum einer damit umzugehen.
Davon abgesehen geht der Film mit seinem Thema aber fast schon zu locker um, um ihn wirklich - egal, welchem Genre zugeordnet - ernst nehmen zu können. Die potentiell fragenden Gesichter der Zuseher am Ende des Machwerks entstehen somit weniger aufgrund ungeklärter Handlungsstränge, sondern vielmehr wegen der ungeklärten Frage, was denn nun eigentlich die Aussage von "11:14" sein soll.