PSCHOTHRILLER/MYSTERY: USA, 2016
Regie: Dan Trachtenberg
Darsteller: Mary Elizabeth Winstead, John Goodman, John Gallagher Jr.
Eine junge Frau rast mit ihrem Auto durch die Nacht. Plötzlich wird ihr Wagen von der Seite gerammt. Das Auto überschlägt sich. Die Frau verliert das Bewusstsein. Sie erwacht in einem Keller, das verletzte Bein ist an die Wand gekettet. Ein schwergewichtiger Mann namens Howard betritt den Raum und erklärt, ihr das Leben gerettet zu haben. Dankbarkeit darf sich ihr Retter aber keine erwarten. Die junge Frau ist überzeugt davon, entführt worden zu sein, während ihr "Retter" wirres, paranoides Zeug von sich gibt ...
"The Lost Art of Keeping A Secret" heißt ein Song der Queens of the Stoneage. Mystery-Experte JJ Abrams hat diese Kunst perfektioniert und dieses Projekt tatsächlich bis zum Schluss geheim gehalten. An dieser Stelle ein Geständnis: Mir ist der hysterische Hype um das Wackelkamera-Spektakel CLOVERFIELD seinerzeit dermaßen auf die Nerven gegangen, dass ich beschlossen hatte, den Film absichtlich zu versäumen. Und wahnsinnnig viel scheine ich ohnedies nicht versäumt zu haben, wie uns der geschätzte Kollegen Ralph versichert.
10 CLOVERFIELD LANE hat mit dem Vorgängerfilm nur den Titel und den ausführenden Produzenten gemein. Die Wackelkamera wurde dorthin entsorgt, wo sie hingehört: Auf den Misthaufen der jüngeren Filmgeschichte. Der Film spielt (fast) zur Gänze in einem unterirdischen Bunker, den Regie-Debütant Dan Trachtenberg in ruhigen, nahezu statischen Einstellungen auslotet. 10 CLOVERFIELD LANE ist ein klaustrophobisches, enorm spannendes Kammerspiel unter der Erde.
Vielleicht ist es ein Zufall: Mein persönliches Kinoprogramm der letzten Wochen wirkt wie ein ARTE-Themenabend unter dem Motto Eingesperrt sein. In der dystopischen Zukunft von THE LOBSTER dürfen Singles ein unheimliches Hotel nicht verlassen. Im türkischen Filmdrama MUSTANG mutiert ein Einfamilienhaus an der Schwarzmeerküste zum Mädchen-Gefängnis. In ROOM wird ein Kind und seine Mutter von einem Psychopathen gefangen gehalten.
Und in 10 CLOVERFIELD LANE ist es John Goodman, der eine junge Frau in einem unterirdischen Bunker einsperrt. Zu ihrem eigenen Schutz, wie er behauptet. Denn irgend ein mysteriöser Angriff habe die Luft draußen verseucht und alles Leben ausgelöscht. Die junge Frau glaubt dem unheimlichen Mann, der - Filmzitat - den schwarzen Gurt in Verschwörungstheorien trägt- verständlicherweise kein Wort und geht von einer Entführung aus. Doch bald verdichten sich die Hinweise, dass an dem apokalyptischen Szenario tatsächlich etwas dran sein könnte.
Mehr wird von der Handlung hier auch nicht mehr verraten.
Es liegt vor allem an der gespenstischen Präsenz von John Goodman, dass dieser Film dermaßen an den Nerven zerrt, mit dem "Ratespiel" als unheimlichen Höhepunkt an atemberaubender Spannung.
10 CLOVERFIELD LANE ist ein Musterbeispiel für virtuoses Genre-Kino: Wer ein originelles Drehbuch schreibt, ausgezeichnete Schauspieler castet und die filmischen Mittel perfekt beherrscht, der benötigt auch kein dreistelliges Millionen-Budget. Allein die Art und Weise, wie hier Sound-Effekte eingesetzt werden - man achte auf die Szene mit dem Kopfschuss - hätte bei der Oscar-Verleihung nicht übersehen werden dürfen. Aber da war dieses Projekt ja noch geheim.
Stell dir vor, du erwachst nach einem Unfall angekettet in einem Keller, und John Goodman im Redneck-Outfit behauptet, dein Leben gerettet zu haben. Würdest du ihm glauben? Aus diesem Szenario und der unheimlichen Präsenz Goodmans bezieht 10 CLOVERFIELD LANE einen Gutteil seiner atemberaubenden Spannung. Man muss den gehypten Vorgängerfilm, mit dem 10 CLOVERFIELD LANE nur den Titel gemein hat, nicht gesehen haben, um von der klaustrophobischen Atmosphäre dieses kleinen, aber ungemein effizienten Films verschlungen zu werden. Dringende Empfehlung.