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GOOD MOVIES FOR BAD PEOPLE
Underground

Underground

OT: Bila jednom jedna zemlja
GROTESKE/KRIEGSDRAMA/LOVESTORY: YU/D, 1995
Regie: Emir Kusturica
Darsteller: Miki Manojlovic, Lazar Ristovski, Mirjana Jokovic, Slavko Stimac

STORY:

Belgrad, 1941: Während die Nazis Jugoslawien erobern, verdienen sich die Freunde Blacky und Marko eine goldene Nase als Schwarzmarkt-Händler und Waffenschieber. Blacky erlangt zudem Ruhm und Ehre als Widerstandskämpfer gegen die Nazis. Bis sich Marko und Blacky in die selbe Frau, die schöne Schauspielerin Natalija verlieben. Marko trickst seinen Freund aus. Nach 15 Jahren im Untergrund schwört Blacky Rache...

KRITIK:

Eugene Hütz, Frontman der Band Gorgol Bordello, bezeichnete die Filme von Emir Kusturica wörtlich als "idiotisch", würden sie doch lediglich Touristenklischees vom "wilden Balkan" erfüllen und die westliche Sehnsucht nach dem angeblich Wahrhaftigen und Ursprünglichen bedienen. Nun sind ja Meinungen wie Arschlöcher: Jeder hat eine.

Jedenfalls wurde die monumentale, in jeder Hinsicht ausufernde Jugoslawienkrieg-Groteske UNDERGROUND 1995 in Cannes mit der goldenen Palme ausgezeichnet.

Was für ein Rausch von einem Film! Der Ausstattungspomp, der hier betrieben wurde, sucht seinesgleichen. Die Energie, die Bildgewalt und Vitalität, die einem von der Leinwand entgegenschlägt, ist schwer in Worte zu fassen: Angetrieben von einem irrsinnig energetischen Blasmusik-Score, der eher nach Punk als nach Volksmusik klingt, arten Feste in orgiastische Gelage aus; es wird gesoffen, getanzt, geflucht und auch gevögelt, als gäbe es kein Morgen.

Und trotzdem liegen die Worte "Es war einmal" wie ein düsterer Nebelvorhang über jeder Szene: UNDERGROUND ist ein bildgewaltiger, surrealer Abgesang auf den Vielvölkerstaat Jugoslawien, der noch während der Dreharbeiten von UNDERGROUND in einem blutigen Chaos unterging.

Dementsprechend ist auch die Stimmung, in der einen der überlange Film (160 Minuten!) zurück lässt: Im Interview beteuert Kusturica, eine Komödie im Sinn gehabt zu haben. Doch als er 1987 mit den Vorbereitungen des Projekts UNDERGROUND begann, konnte er das apokalyptische Ende der Geschichte Jugoslawiens nicht ahnen.

So wurde UNDERGROUND ein Film, der alle erdenklichen Emotionen aufbietet: Menschliche Grausamkeit und Niedertracht in allen Facetten trifft auf Leichtigkeit und Lebenslust in Fellini-Manier; slapstickhafte Komik und ganz großes Drama wechseln im Minutentakt.

Dazwischen gibt's historisches Bildmaterial vom Einzug der Nazis in Maribor und Zagreb und, 40 Jahre später, Titos pompöser Beerdigung, die, aus welchen Gründen auch immer, mit deutscher Schlager-Musik aus den 30ern unterlegt wurde. Der Film endet schließlich im Wahnsinn des Bosnien-Krieges. Und schlägt mit der Wucht einer antiken Tragödie auf den Zuseher ein.

Doch Kusturica wäre nicht Kusturica, würde er seinen Figuren nicht doch ein Happy End - natürlich in Gestalt eines ausufernden jugoslawischen Volksfestes - bereit halten. Ein Happy End, das aber, ohne hier etwas spoilern zu wollen, ins Surreale, ins Reich der Fantasie ausgelagert wird. Wie so vieles in diesem Film. Aber seht selbst...

Die DVD von Arthaus/Kinowelt bringt den Film wahlweise deutsch synchronisiert oder in serbischer OV mit Untertiteln. Auch ohne Sprachkenntnisse ist natürlich der Originalton vorzuziehen. Die vielen wunderschönen serbischen Flüche und Schimpftiraden kommen in der Synchronisierung nicht wirklich rüber. Und in ein paar Szenen wird ein sehr lustiges österreichisches (!) Nazi-Deutsch gesprochen...

Underground Bild 1
Underground Bild 2
Underground Bild 3
Underground Bild 4
Underground Bild 5
FAZIT:

Emir Kusturicas wüste, bildgewaltige Groteske über den Untergang (und die kulturelle Wiedergeburt?) Jugoslawiens ist ein kaum in Worte zu fassendes Filmerlebnis: Irrwitziger Slapstick und ganz großes Drama, eingefangen in Bildern, die man schon selbst gesehen haben muss, um sie zu glauben. Monumentales europäisches Kunstkino, das diese Bezeichnung ausnahmsweise wirklich verdient!

WERTUNG: 9 von 10 Affen im Panzer
Dein Kommentar >>
riegla | 21.12.2012 19:23
einmaliges filmerlebnis! eine kritik zu "schwarze katze weißer kater" ist auch noch fällig :-)
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Gerti | 16.01.2009 19:07
.. ob "Alles ist erleuchtet" so ganz ohne Klischees auskommt, wag ich zu bezweifeln
Harald | 17.01.2009 11:21
Eugene Hutz ist halt ein Großmaul - aber irgendwie eh ein sympathisches.
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