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Lust, Caution

Lust, Caution

OT: Gefahr und Begierde
DRAMA: USA/CHN, 2007
Regie: Ang Lee
Darsteller: Tony Leung, Joan Chen, Tang Wei, Wang Lee-Hom

STORY:

Eine Gruppe Studenten (die natürlich nicht in den Krieg müssen) zur Zeit der japanischen Besatzung in China beschließt, nicht einfach ihre Privilegien zu genießen, sondern für ihr Land einzutreten. Also soll die junge Jiazhi (Wei) den Kollaborateur Yi (Leung) in eine Affäre verstricken und ihn dadurch angreifbar machen. Doch die Beziehung wird intensiver als erwünscht ...

KRITIK:

Der Film erzählt eine eigentlich altbekannte Geschichte, deren Ausgangsstruktur man fast schon als eines der Grundmotive des Kinos und wahrscheinlich auch der Literatur bezeichnen kann. Ich verweise da auf Hitchcocks Notorious mit Cary Grant und Ingrid Bergman, der von den Mission Impossible 2-Machern kopiert und mit Actionszenen versehen wurde, oder auch dem kürzlich erschienenen Black Book von Paul Verhoeven.

Das interessante ist also nicht mehr, was passiert, sondern vielmehr wie es passiert. Ang Lee geht die Sache natürlich viel ruhiger an als zum Beispiel Paul Verhoeven. Den taiwanesischen Regisseur zeichnet die Gabe aus ein guter Zuhörer zu sein, oder sagen wir eher ein guter Zuseher, ein aufmerksamer Beobachter. Ang Lees Kunst zeichnet sich nicht in erster Linie durch den Ausdruck seiner strengen Bilder, durch artifizielle Analogien oder symbolische Gesten aus, sondern genau durch das Gegenteil, den Eindruck.

Ang Lee wartet genau den Bruchteil der Sekunde länger mit seinem Schnitt, der nötig ist, um die nächste Schicht der Figur zu abzuhäuten. Ang Lee wagt es genau hinzuhören, genau hinzusehen. Er erkennt seine Figuren, indem er ihnen richtig in die Augen sieht und dadurch ihre Seele erblickt. Ein Blick frei von Vorurteilen und Hintergedanken und vor allem ein Blick frei vom Zwang soundso viele Schnitte in einer Minute unterzubringen. Diese Form von Erzählrhythmus folgt einzig und allein der Notwendigkeit, einen oder viele Menschen in ihren Beziehungsgeflechten anzusehen und uns Zusehern begreiflich zu machen.

Am stärksten merkt man dieses für heutige Verhältnisse unerhört konservative Bestehen auf "Lang-Weiligkeit" eben nicht nur in seinen seriösen Dramen wie "Der Eisturm" oder "Brokeback Mountain", sondern in seinen Genrefilmen wie "Hulk", "Tiger and Dragon" oder jetzt "Lust, Caution", die er einfach gegen den Strich inszeniert.

Ang Lee nimmt diese verschiedenen Stoffe her (Jekyll and Hyde, Martial Arts Märchen, erotische Politthriller) und inszeniert sie als wären sie Dramen, ja er nimmt seine Stoffe ernst. Und ja, es stimmt doch, er macht uns begreiflich, dass sie es eigentlich sind. Haben wir das nicht vorher schon bemerkt, dass jeder Film ein Drama ist, dass es keine Genres gibt, dass Genres eigentlich nichts weiter als Reduktionen, Einengungen des Blickwinkels auf Geschichten sind.

Das mag so selbstverständlich klingen, aber es fühlt sich bei jedem von Ang Lees Filmen wieder so neu und anders an, so erfrischend, so schön. "Lust, Caution" reiht sich ein in diesen feinen Filmreigen dieses außergewöhnlichen Regisseurs mit dem Mut zur Langsamkeit und zur Wahrhaftigkeit. Es mag den einen oder anderen Augenblick der quälenden Länge geben, vor allem wenn sich die Zuseher in der Reihe dahinter zu unterhalten beginnen, aber Ang Lee weiß einfach, dass uns seine Figuren ans Herz wachsen, weil wir soviel Zeit mit ihnen verbringen.

Während der zweiten Hälfte flüsterte niemand mehr. Wir verfolgen gespannt jede Geste, trauen der trügerischen Ruhe nicht und urplötzlich trifft uns wie unvorbereitet die volle Härte des Lebens, in grausamen langwierigen Tötungsszenen und in aggressiven sexuellen Ausbrüchen, die uns ganz erschöpft zurücklassen und uns den Figuren, die alle längst nicht mehr ihres Schicksals Schmiede sind, noch ein Stückchen mehr verbunden fühlen lassen.

Lust, Caution Bild 1
Lust, Caution Bild 2
Lust, Caution Bild 3
Lust, Caution Bild 4
Lust, Caution Bild 5
Lust, Caution Bild 6
Lust, Caution Bild 7
FAZIT:

Einmal mehr ein grandioser Film von Ang Lee, dem Meister der Beobachtung, der uns durch Momente fesselndster Ruhe und unglaublicher Gewalt, famos dargeboten von immens fähigen Darstellern auf eine lange Reise schickt, die uns nicht mehr loslässt und uns das Gefühl vermittelt, einen Film gesehen zu haben, der etwas bedeutet und etwas in uns zurücklässt ...

WERTUNG: 9 von 10 Diamantringen
TEXT © Ralph Zlabinger
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Dein Kommentar >>
Gregor | 12.12.2010 10:39
habe den Film gestern erneut gesehen und wollte gerade eine Review schreiben. Habe dann entdeckt, dass es die ja schon gibt. Und nach dem Lesen sehe ich auch, dass ich dazu nichts weiteres zu schreiben hätte.

Ein wunderschönes Charakter-Drama, ein überragender und grandios ambivalenter Tony Leung, großes Kino!
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