HORROR: DEUTSCHLAND, 2004
Regie: Andreas Marschall
Darsteller: Peter Martell, Nuran Celik, Mathieu Carriere, Michael Balaun
In den Siebzigern und Achtzigern Jahren pilgerten viele Menschen aus westlichen Ländern nach Indien, um dort die Erleuchtung zu suchen und schlossen sich in Kommunen zusammen. Aus einer solchen entstand die Taylor-Eriksson-Gruppe, eine gefährliche Psycho-Sekte, die brutal mit dem menschlichen Bewusstsein experimentiert hat und irgendwann von der Bildfläche verschwunden ist. In drei Episoden erzählt uns TEARS OF KALI, dass das grausige Erbe dieser unheimlichen Sektierer immer noch lebendig ist und Angst und Schrecken verbreitet
KRITIK:Der Name des in Karlsruhe geborenen Künstlers Andreas Marschall ist mir als alter Metaller seit frühester Jugend geläufig. Schließlich hat der gute Mann Coverartworks für Bands wie Kreator, Blind Guardian, Obituary, Grave Digger oder Hammerfall gefertigt. Den Filmemacher Marschall habe ich 2004 kennen gelernt, als sein Spielfilmdebüt TEARS OF KALI veröffentlicht wurde.
Und sein Erstling legt schon mehr inhaltliche Reife an den Tag als der gesamte Backkatalog seiner Kollegen Schnaas, Ittenbach oder Bethmann. Fernab von den - je nachdem - pubertären, lustigen, derben oder misogynen Splattereien deutscher Amateurtradition geht Marschall mit für eine Undergroundproduktion unglaublich hohem Maß an technischer Versiertheit den intellektuellen Weg und liefert mit TEARS OF KALI etwas ab, was man schon als progressiven Horror bezeichnen könnte.
Er taucht tief in die abseitige Esoterik hinab, in die düstere Welt der Psycho-Sekten und holt sich dort die Stoffe, aus denen diese drei düsteren Alpträume um die Taylor-Eriksson-Gruppe sind.
Und das ist unheimlich, verstörend, blutig und erstaunlich ambitioniert umgesetzt. Marschall erzeugt mit verschiedensten Filmtechniken, John Panamas und India Bhartis grandiosem Score und Geräuscheffekten eine Atmosphäre, in welcher man sogar als Zuschauer das ungute Gefühl bekommt, man säße gerade höchstpersönlich bei Lars Eriksson in der Gruppentherapie.
Ich will gar nicht groß auf die Plots der einzelnen Episoden eingehen, um die schönen Twists und Schrecken nicht vorwegzunehmen, aber der erste Part des Films - "Shakti" - gehört mit seinen auf Cronenbergs DIE BRUT verweisenden tibetanischen Phantomen zum Beklemmendsten, was ich im Horrorsektor in den letzten Jahren gesehen habe und ist genauso klug erzählt und arrangiert wie das zweite Kapitel "Devi" mit Michael Balaun als den wahrscheinlich teuflischsten Psychiater seit Dr.Decker in CABAL. Lediglich die dritte Episode fällt etwas ab, obgleich auch sie zu überzeugen weiß.
Denn die Schattenwesen, die hier den dunkelsten Abgründen der menschlichen Psyche entspringen sind immer noch zehn Mal Furcht erregender als die maskierten Killer, Vaginalverstümmler und Wald- und Wiesenzombies, die der deutsche Amateurfilm üblicherweise zu bieten hat.
Nach solch einem fulminaten Debüt ist mir schleierhaft, dass sich noch kein Geldgeber für ein weiteres Marschall - Filmprojekt gefunden hat. Sollte da wieder ein Genie verkannt worden sein? Ein Blick in die Ratings bekannter Datenbänke legen eine solche Ignoranz nahe...
TEARS OF KALI kündet in drei beklemmenden Episoden vom dunklen Erbe Poonas und das ist Psycho-Horror vom Feinsten. - Mit seinem kalten Grundton,den vielen Schocks und einer ambitionierten Inszenierung lässt Marschalls TEARS OF KALI die Konkurrenz aus dem deutschen Underground und nebenbei auch noch viele etablierte Studioproduktionen weit hinter sich und ist vielleicht der beste deutsche Amateurstreifen, der bis dato gedreht worden ist. Beängstigend gut!