OT: Tutti i colori del buio
GIALLO: ITALIEN, 1972
Regie: Sergio Martino
Darsteller: Edwige Fenech, George Hilton, Susan Scott, Ivan Rassimov
Nach einem Schicksalsschlag wird die psychisch labile Jane von Alpträumen und einem Mann mit stahlblauen Augen heimgesucht. Doch weder ihr Freund Richard noch ihr Psychiater wollen ihr so recht Glauben schenken. Als dann noch eine satanische Sekte ihre Netze nach ihr auswirft, kann Jane bald nicht mehr zwischen Wahn und Wirklichkeit unterscheiden -
KRITIK:Mit seinem Giallo Nr. 3 nach DER KILLER VON WIEN und DER SCHWANZ DES SKORPIONS verlässt Sergio Martino die sicheren, aber auch altbekannten Genrepfade und wagt sich auf neues Terrain vor. So ist ALL THE COLORS OF THE DARK ein bisschen mysteriöser, ein bisschen undurchsichtiger als die Konkurrenz geworden. Aber auch etwas kauziger und verworrener.
Während die Fanbase, welche Rasiermesser und schwarze Handschuhe als unentbehrliche Genrezutaten ansieht, hier etwas vor den Kopf gestoßen wird, dürften andere von dem (alp-)traumartigen, unwirklichen Inszenierungsstil begeistert sein und ALL THE COLORS OF THE DARK als ungewöhnliche Perle seiner Art abfeiern.
Tatsächlich - Paranoia war selten psychedelischer als hier, wenn Ivan Rassimov mit stahlblauen Augen einer verstörten Edwige Fenech nachstellt. So ganz ohne Makel ist das bizarr funkelnde Juwel dann doch nicht.
Martino spielt hier auf die Zwölf mit den Realitätsebenen; mit dem Tatsächlichem, mit Halb- und Unwirklichkeit. Lange Zeit geht das gut, doch im Laufe des letzten Drittels verheddern sich die Fäden zusehends, was letztendlich zu einer wenig glaubwürdigen und unbefriedigenden Auflösung führt. Beim Ende hat Martino leider Inkonsequenz bewiesen, als er die halluzinatorische Marschroute, die sich aus der Wahrnehmung der psychisch labilen Jane gespeist hat, auf dem letzten Meter noch ändert. Passiert ist passiert und man kann damit leben. Fragt die Hundertschaften treuer Verehrer, die der Film auf der ganzen Welt hat und die ihm längst Kultstatus zugestanden haben.
Und wahrlich! Angesichts einer atemberaubend schönen Edwige Fenech mit blanker Brust und fuchsblutverschmierten Lippen inmitten einer satanischen Orgie fällt das Nörgeln schwer. Denn für Auge und Ohr ist ALL THE COLORS OF THE DARK ein Erlebnis, das nicht nur Style en masse, sondern auch einige feine Suspense-Momente inne hat. Seine wahre Stärke liegt jedoch in der Extravaganz der Bilder und der Musik. Letztere stammt übrigens von Genre-Musikus Bruno Nicolai und der hypnotische Mix aus Psychedelica und Progrock zählt sicherlich zu seinen schönsten Scores. Als Hörprobe sei das Stück "Sabba" empfohlen, welches die satanischen Szenen untermalt.
ALL THE COLORS OF THE DARK ist eine (Schwarze) Messe psychedelischen und morbiden Styles. Für Außenstehende eventuell zu skurril und aktionsarm; für die Gläubigen ein heiliges Zeremoniell und gut für die Seele. Ein verwirrender Rausch des Paranoiden und Okkulten, in dem sich Genrestars wie die göttliche Edwige Fenech, George Hilton, Susan Scott und Ivan Rassimov die Klinge, ähm, die Klinke in die Hand geben