OT: Touche pas à la femme blanche
WESTERN/SATIRE: F, 1974
Regie: Marco Ferreri
Darsteller: Marcello Mastroianni, Catherine Deneuve, Ugo Tognazzi, Michel Piccoli, Philippe Noiret
USA, 1876: Der ruhmreiche General Custer (Marcello Mastroianni) bekommt den Auftrag, den Widerstand der indianischen Ureinwohner ein für allemal zu brechen. Unverzüglich beginnt der General mit den Kriegsvorbereitungen. Dabei verliebt er sich in schöne Marie-Hélène (Catherine Deneuve), die ihm fortan zur Seite steht. Doch auch die Indianer, die von Häuptling Sitting Bull (Alain Cuny) angeführt werden, haben einige militärische Überraschungen in petto...
KRITIK:Nach seinem überragenden Erfolg mit der tabubrechenden Kapitalismus-Satire DAS GROSSE FRESSEN trommelte Marco Ferreri,
der Enfant terrible des europäischen Kinos der 70er, noch einmal sein Stamm-Ensemble zusammen, um sich ganz der amerikanischen Geschichte zu widmen:
In seiner ganz eigenen Version der Schlacht am Little Big Horn erklärt Ferreri das Raum-Zeit-Kontinuum für aufgehoben, lässt Nixon-Portraits vor Indianerzelten hängen und verpflanzt den wilden Westen kurzerhand ins Paris der Siebziger Jahre. Marcello Mastroianni, Ugo Tognazzi, Michel Piccoli und Philippe Noiret dürfen in einer riesigen Baugrube ausgelassen Indianer spielen.
TOUCHE PAS À LA FEMME BLANCHE pendelt irgendwo zwischen absurden Theater und bluttriefender Politsatire. Auch wenn es ein wenig dauert, bis der Film in die Gänge kommt (die ersten 40 Minuten passiert nicht allzu viel), wird der Liebhaber cineastischer Kuriositäten ordentlich bedient:
Der Film ist sehr aufwändig ausgestattet und wartet mit Bildern auf, die sich jeder nüchternen Beschreibung verweigern. Die Schauspieler laufen allesamt zur Hochform auf, und das große Schlussmassaker dürfte selbst Splatterfans die Freudentränen in die Augen treiben. Die FSK-12-Freigabe muss in einem Anfall von geistiger Umnachtung vergeben worden sein.
Wie schon in Stanley Kubriks wahnwitziger Kriegssatire DR. STRANGELOVE wird auch hier das Militär als Pandämonium des Irrsinns entlarvt - auch wenn die Kriegstreiber innerhalb ihrer perversen Vorstellungswelt völlig logisch und rational agieren:
Wenn sie nicht gerade von der "Endlösung" schwadronieren (womit unmissverständlich klar wird, wessen Geistes Kind diese Herrschaften sind), ist den "Architekten des Krieges" durchaus bewusst, dass ein moderner Krieg nicht ohne professionelle PR-Arbeit samt grellen Show-Elementen auskommt.
Man will ja schließlich die öffentliche Meinung auf seiner Seite haben...
Nach dem GROSSEN FRESSEN wird Indianer gespielt: Skandal-Regisseur Marco Ferreri pinkelt der US-Politik kräftig ans Bein. Die blutige wie surreale Mixtur aus Western, Kostümfilm und Politsatire kommt zwar nicht ganz ohne Längen daher, belohnt aufgeschlossene Zuseher aber mit - gelinde gesagt - ungewöhnlichen Seh-Eindrücken. Schon mal einen Western gesehen, der zur Gänze auf einer Pariser Baustelle spielt? Eben. Das Ensemble aus DAS GROSSE FRESSEN läuft auch in Indianer- und Soldatenkostümen zur Höchstform auf. Lohnende Angelegenheit für Freunde nicht alltäglicher filmischer Erlebnisse...