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Boogie Nights

Boogie Nights

DRAMA: USA, 1997
Regie: Paul Thomas Anderson
Darsteller: Mark Wahlberg, Burt Reynolds, Julianne Moore, Philip Seymour Hoffman, William H. Macy

STORY:

Die Tagline fasst es in fünf Worten besser zusammen, als ich es je könnte: "Everyone has one special thing."

KRITIK:

Aus der Serie "Paul Thomas Anderson-Filme, die unbedingt noch auf filmtipps.at müssen, bevor sein neuer Film There Will Be Blood in den Kinos anläuft" (Zeit genug also zur Vollendung): Boogie Nights.

Hätte mir der Name "Paul Thomas Anderson" bereits etwas gesagt, als ich zum ersten mal diesen Film sah - es hätte nicht bis Magnolia gedauert, bis ich zum voreingenommenen, tunnelblickerkrankten PTA-Fan mutiert wäre.

Nun ja - jeder fängt einmal klein an. Auch Anderson - Boogie Nights war - nach kleineren und trotzdem feinen Filmen wie Sydney - sein erster, nahezu epischer 3-Stunden-Exzess der Marke "Viel zu dick aufgetragen und trotzdem alles richtig gemacht". Gut, wer Magnolia kennt, wird sowohl Drehbuch als auch Regie von Boogie Nights als geradezu harmlos empfinden - trotzdem kann Herr Anderson auch hier schon seinen Hang zur Dramatik nur schwer verbergen.

Schon etwas besser versteckt er noch seinen Zwang, über den gesamten Film Handlungsstränge zu verweben und zu verketten - dennoch: Boogie Nights darf man getrost als das erste Meisterwerk eines jungen Regisseurs und Autors bezeichnen. Eines Regisseurs, den Hollywood ganz dringend gebraucht hat: jemand mit Phantasie, Mut, Stil, Kreativität und Ambition. Jemand, der aus Prinzip seine Filme selber schreibt (There Will Be Blood wird die Ausnahme von der Regel sein).

So einfach es ist, über Anderson zu schreiben, so schwer ist es, Boogie Nights in Worte zu fassen. Zu vielschichtig ist die Story und ihre Charaktere, zu irrwitzig und zugleich erschreckend real sind viele Szenen.

"Aufstieg und Fall eines Pornodarstellers mit King Kong höchstpersönlich zwischen den Beinen" - so einfach könnte man die Story zusammenfassen, würde man dem Film damit nicht so sehr Unrecht tun. Auf dem Plan stehen familiäre Vernachlässigung samt Suchen und Finden einer Ersatzfamilie, Drogen, Strich, Eheprobleme, verlorene Träume und sogar die Probleme einer ganzen Industrie im Umbruch eines zu Ende gehenden Jahrzehnts.

Das eine oder andere Blutbad, das mindestens so hinterrücks auftaucht wie Robert Hartlauer in der Werbepause, fehlt natürlich auch nicht - und wischt einem jedes blöde Grinsen aus dem Gesicht, das die vorangegangene Handlung hervorgezaubert hat - "Du hast dich über diesen Typ und seine Situation gerade eine Filmstunde lang totgelacht - und jetzt bist du ernsthaft schockiert dass sein Hirn an der Wand klebt?" ... ja, ich bin ein Arsch, aber danke für die Lektion.

Selbst wenn alles geradezu prädestiniert für Klischee-Fettnäpfchen ist, umschifft Anderson dieses scheinbar mühelos. Trotz allem Hang zur Dramatik und dem Versuch, wirklich jede erdenkliche Gelegenheit für ebensolche zu nutzen, kauft man dem Film einfach alles ab, zu perfekt ist das ganze komponiert, um angezweifelt zu werden.

Wenn man im legendären Knallfrosch-Finale wieder mal nicht weiß, ob man ob der skurrilen Situation lieber Tränen lachen soll oder gebannt der folgenden Ereignisse entgegenharrt (natürlich um vor allem sein eigenes Gewissen zu beruhigen, dass man nicht über Dinge lacht, die nur schlimm enden können - Lektion gelernt!) - am Ende ist Boogie Nights ein selten tiefgründiger, vielschichtiger, aufwühlender und vor allem sehr ernster Film - einige Ladungen Ironie und schwarzen Humors hin oder her, sie sind das Mittel zum Zweck um den Zuseher in die Irre zu leiten und ihn in Sicherheit zu wiegen - damit es dann, wenn es was unter die Nase zu reiben gibt, auch ordentlich brennt. Viel zu leicht lässt man sich darauf auch ein, schon allein ob der skurrilen 70er-Jahre Szenerie inklusive Föhnwellen-Frisuren und knallbunten Klamotten.

Nicht zuletzt lebt der Film aber auch von seiner hervorragenden Besetzung - Burt Reynolds stellt unter Beweis, was viele immer schon zu wissen geglaubt haben: in ihm steckt ein verdammt guter Schauspieler. Leider kam er nach Boogie Nights nie wieder über B-Movies hinaus. Ein Verlust. Worte über den PTA-Standard-Cast (Julianne Moore, Philip Seymour Hoffman, William H. Macy, John C. Reilly, Philip Baker Hall, Louis Guzman) zu verlieren erübrigt sich ohnehin. Definitiv unter positive Überraschung fällt neben Reynolds aber auch Mark "Dirk Diggler" Wahlberg.

Was zehn Jahre später bleibt, ist ein zeitloser Film, der in jeder Disziplin überzeugt und definitiv seinesgleichen sucht.

Boogie Nights Bild 1
Boogie Nights Bild 2
Boogie Nights Bild 3
Boogie Nights Bild 4
Boogie Nights Bild 5
Boogie Nights Bild 6
Boogie Nights Bild 7
Boogie Nights Bild 8
FAZIT:

Auch Boogie Nights ist, wie Magnolia, überambitioniert, hoffnungslos dramatisch und teils absurd poetisch. Doch auch hier versteht es P.T. Anderson, die Gesamtkomposition seines Films so hinzubekommen, das am Ende alles so seltsam stimmig wirkt, wie es kaum ein anderer Film in dieser Form schafft. Am Ende ist nur noch Faszination übrig.

Nur zwei Jahre später läuft Magnolia in den Kinos an - noch stärkerer Tobak, noch dicker aufgetragen, dafür aber auch auf 24 Stunden anstatt auf 2 Jahrzehnte komprimiert - und Anderson wird sich damit selbst übertreffen. Gemeinsam wirken die beiden Filme wie ein Gesamtkunstwerk, die sich auch gegenseitig erklären und viel über Motive, Ziele und Ursachen verraten.

WERTUNG: 10 von 10 Knallfröschen
TEXT © Bernhard König
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