OT: Môjû
EROTIK/DRAMA/THRILLER: J, 1969
Regie: Yasuzô Masumura
Darsteller: Eiji Funakoshi, Mako Midori, Noriko Sengoku
Das Aktmodell Aki wird von einem blinden Stalker verfolgt. Als Masseur getarnt, verschafft sich das titelgebende Blind Beast, der in Wirklichkeit ein Muttersöhnchen mit künstlerischen Ambitionen ist, Zutritt zu ihrer Wohnung, betäubt die junge Frau und entführt sie in sein Atelier. Für Aki beginnt ein Albtraum, in dessen Verlauf der jungen Frau ihrer masochistischen Veranlagung bewusst wird...
KRITIK:Japanern wird ja eine etwas schizophrene Haltung zur Sexualität nachgesagt.
In einem Land, wo der gestresste Manager am Nachhause-Weg noch schnell einen getragenen Schulmädchen-Slip aus dem Automaten zieht, gelten Schamhaare als pfuigack und werden gepixelt, selbst in Hardcore-Filmen.
Doch schmerzhafte sadomasochistische Praktiken wie Fesseln, Knebel, Auspeitschen gehören offensichtlich zum sexuellen Mainstream, von den brutalen Dominanz- und Gewaltphantasien von Mangas in Millionenauflage noch gar nicht zu reden. Dass diese Auswüchse wohl nur in einer Gesellschaft gedeihen können, die - freundlich ausgedrückt - feministischen Idealen wenig Sympathie entgegenbringt, muss wohl nicht näher ausgeführt werden...
Mit "Blind Beast" erscheint ein Klassiker des japanischen Soft-Sex-Kinos der wilden Sixties erstmals auf DVD. Die Attraktivität des Films liegt eindeutig in seiner extravaganten Ausstattung: Wie ein Ficktraum eines Surrealisten mutet dieses sexuelle Kammerspiel an, das zur Gänze in einem mit bizarren, überdimensionalen Geschlechtsteil-Skulpturen vollgestopften Künstler-Atelier spielt.
Der Plot überrascht mit vielen unerwarteten Wendungen und erzeugt genug Spannung, um das Interesse des Zusehers bis zuletzt aufrecht zu halten. Den knappen, präzisen Dialogen merkt man an, dass es eine Literaturvorlage zum Film gibt. Sado/Maso-Sexszenen dürfen natürlich auch nicht fehlen; man muss sich aber bis zum letzten Filmdrittel gedulden.
Dabei wird der Zusammenhang zwischen Sex, Schmerz und Tod kompromisslos ausgelotet:
"Je schmerzhafter es wurde, je qualvoller es wurde, umso lustvoller war es. Doch warum?" [..] "Wir konnten nicht mehr aufhören. Jeden Tag nahmen wir andere Instrumente, um uns zu verletzen. Schließlich waren wir so weit, dass wir zu Messern griffen." [..] "Ich konnte eine Lust, von der normale Menschen nicht einmal ahnen, bis zum letzten Schluck auskosten. Ich war bereit zu sterben."
Dass diese "Bereitschaft" vielleicht nicht jedermanns Sache ist, schmälert den künstlerischen Wert dieses kleinen, radikalen Kultklassikers made in Japan keineswegs. Manchmal muss Film einfach weh tun.
Das auf fernöstliche Filmware spezialisierte Label Rapid Eye Movies präsentiert den Film in Anbetracht seiners Alters in ganz guter Qualität. Fans des Genres können - sorry für das aufgelegte Wortspiel - blind zugreifen...
Ein kompromissloser Klassiker des japanischen "Pink Film"-Genres, der wie ein Thriller beginnt, sich zu einem ödipalen Drama auswächst und schließlich in einem Strudel aus Sex und drastischer Gewalt endet. Der 1969 gedrehte Film macht deutlich, welch lange Tradition der kunstvoll inszenierte Tabubruch im japanischen Kino hat.