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Navajo Joe

Navajo Joe

WESTERN: I/E, 1966
Regie: Sergio Corbucci
Darsteller: Burt Reynolds, Aldo Sambrell, Nicoletta Machiavelli, Fernando Rey, Tanya Lopert, Franca Polesello

STORY:

Die Bande um den Skalpjäger Duncan schlachtet die Bewohner des Dorfes, in dem auch Indianer Joe lebte, ab. Wenig glücklich über diesen Umstand macht dieser fortan Jagd auf Duncans Bande.
Als die auf der Jagd nach 500 000 Dollar, die in der Bank eines von der Außenwelt weitgehend abgeschnittenen Wüstenkaffs lagern, dessen Bewohner bedrohen, bietet Joe sich an Duncans Bande auszulöschen - für ein Kopfgeld von einem Dollar pro getöteten Bandit...

KRITIK:

Im Jahr 1966 - also gut drei Jahre nachdem seine 12 Jahre anhaltende Schaffensphase, während derer er sich auf den Italowestern konzentrierte, begonnen hatte - drehte Sergio Corbucci einen harten und dreckigen Western, der selbst in der harten und dreckigen Welt des Italowesterns herausstechen sollte.

Die Rede ist von DJANGO, dessen titelgebender, schweigsamer Schütze stets mit einem Sarg im Schlepptau unterwegs ist. Diese Rolle verhalf nicht nur Franco Nero zum Legendenstatus, nein, das Werk höchstselbst sollte Corbucci einen ewigwährenden Ruf als Harter der Harten unter der Vielzahl der Regisseure einbringen - allem voran durch die berühmte Ohr-Szene, welche in Deutschland lange Zeit der Zensur zum Opfer viel.

Noch im selben Jahr drehte Corbucci schließlich einen weiteren Film, nämlich das dieser Rezension zu Grunde liegende Werk NAVAJO JOE - KOPFGELD: EIN DOLLAR, mit einigen Genregrößen im Schlepptau, darunter unter anderem Ennio Morricone (aufgeführt als Leo Nicols) - der einen genialen, KEOMA fast ebenbürtigen Soundtrack beisteuerte - und Ruggero Deodato - hier in der Rolle des Regieassistenten, später als Regisseur verantwortlich für den umstrittenen Kannibalen-Klassiker NACKT UND ZERFLEISCHT.

Die Hauptrolle des Indianers Joe sollte ursprünglich mit Marlon Brando besetzt werden, dieser hatte jedoch andere Verpflichtungen und sagte ab. Ob der noch junge aber dennoch bereits gefragte Brando ohne eben jene Verpflichtungen zugesagt hätte, dürfte allerdings zu bezweifeln sein. Stattdessen besetzte Corbucci die Rolle des Joe mit Burt Reynolds, der zu dieser Zeit gerade anfing größere Rollen zu spielen, und dem Regisseur bereits in amerikanischen Produktionen positiv aufgefallen war. Während Reynolds mit Corbucci selbst gut auskam, verscherzte er es sich allerdings recht schnell mit Deodato, dem Reynolds schnippische, eingebildete Art, die wohl auf seine amerikanische Abstammung rückzuführen war, so lange auf die Nerven ging, bis dieser sich mit einem herzhaften "Leck mich am Arsch!" revanchierte - eine Begebenheit an die sich Reynolds auch Jahre später noch erinnern sollte.

Dabei gestaltet sich Navajo Joe nicht nur gewissermaßen als Hauptrollen-Debüt für Burt Reynolds, sondern zeichnet sich auch durch einen innovativen Umgang mit dem Western-Sujet aus. So waren und sind Western, die den Regeln amerikanischer Propaganda trotzen und Indianer nicht nur nicht als blutrünstige Monster darstellen, sondern auch auf die Seite der Guten stellen, recht selten. Dass darüberhinaus ein Indianer noch den Helden der Geschichte abgibt war gar ein Novum.

Wie auch bereits in DJANGO scheut das Drehbuch - bzw. dessen Autoren - nicht davor zurück, gesellschaftskritische Themen aufzugreifen. In beiden Fällen liegt das Hauptaugenmerk dabei auf dem Rassismus, der Amerika groß gemacht hat und sich bis heute gehalten hat.

Joe ist Indianer, die Weißen mögen ihn nicht, brauchen ihn aber und doch behandeln sie ihn abschätzig, wovon dieser sich jedoch nicht unterkriegen lässt, denn er weiß sich zu wehren - sowohl körperlich als auch verbal.

Der genialen Konter mit dem er den Sheriff des kleinen Städtchens - das er zu beschützen sich bereiterklärt hat - geistig außer Gefecht setzt, ist einfach wie effektiv.

"Das amerikanische Gesetz muss von Amerikanern geschützt werden." - "Mein Vater wurde hier geboren, der Vater meines Vaters, genauso wie der Vater vom Vater meines Vaters wurde hier geboren. Wo ist dein Vater geboren?" - (...) "In Schottland." - "Dann bist du kein Amerikaner. Nur Amerikaner können das Gesetz und die Gerechtigkeit der Amerikaner schützen, wie du gesagt hast. Ich bin Amerikaner!"

Schön wäre es mit den Lobpreisungen des Drehbuchs nun fortfahren zu können, doch leider bleibt dieses Zitat einer der wenigen Lichtblicke, die das Script von Fernando Di Leo und Ugo Pirro handlungs- sowie dialogtechnisch zu bieten hat.

Man könnte fast von Trash reden, bekommt man die Oneliner und Dialoge zu Ohren, die in ihrer Einfachheit und vor allem Inhaltslosigkeit kaum zu überbieten sind. Die im Ansatz ernsthaften und löblichen Versuche so mitsamt der Unterhaltung eine Botschaft zu vermitteln verlaufen leider völlig im Sand.

Wenigstens könnte man sagen bleibt der Unterhaltungswert erhalten - wenn auch auf gänzlich andere Weise als es ein DJANGO oder gar Castellaris KEOMA es schaffen. Die Unterhaltung, die sich aus den Dialogen NAVAJO JOEs gewinnen lässt ist vor allem - wie bereits erwähnt - trashiger Natur, was glücklicherweise jedoch nicht verhindert, dass das durchaus düstere Ende - welches bereits einen Vorgeschmack auf das niederschmetternde Finale in LEICHEN PFLASTERN SEINEN WEG bietet - seine volle Wirkung entfaltet.

Trash hin oder her, man fühlt in gewissem Maße mit Joe mit und auch wenn das Gute über das Böse triumphiert, verlangt dieser Triumph einen hohen Preis. Durch die stets düstere Grundstimmung kommt somit auch kein Bierrundengefühl auf, was Corbuccis Werk einige Seriositäts-Punkte rettet.

Was derweil die technische Umsetzung betrifft, lässt einzig der Schnitt zu wünschen übrig. Dieser erscheint stellenweise arg wirr - was nicht im Sinne heutige Hollywood-Stakkato-Gewitter gemeint ist, das sei ganz klar gesagt, sondern im durchaus klassischen Sinne. Einigen Szenen werden durch den Schnitt, der Einstellungen teils unlogisch aufeinander folgen lässt, ihrer Wirkung beraubt, die Spannung ausgebremst.

Alles andere als technisch unbeholfen wirken im krassen Gegensatz dazu allerdings Regie und Kamera. Die geschickten und durchdachten Cinemascope-Aufnahmen vermögen die Atmosphäre geschickt einzufangen. Die Lässigkeit der "Finger-Szene" aus KEOMA - welche für mich zu den besten Einstellungen der Filmgeschichte überhaupt zählt - wird zwar nie erreicht, abwechslungsreiche Winkel sorgen dafür aber für ein gewisses Maß an Verspieltheit und können sich durchaus sehen lassen - kleiner Wortwitz am Rande, man möge es mir verzeihen.

Vor der Kamera fällt das Hauptaugenmerk selbstverständlich zuerst auf Burt Reynolds, der - ich schreibe es ohne große Umschweife direkt raus - eine ziemliche Fehlbesetzung ist. Mit seinem fast bubenhaften Gesicht mag man ihm die Rolle des knallharten Rächers einfach nicht abkaufen - gar so als würde Tom Cruise die Hauptrolle in EIN MANN SIEHT ROT spielen.

Wer dann - dürfte wohl die Frage sein, die sich dem werten Leser jetzt aufdrängt - sollte dann den Joe verkörpern, und die Antwort darauf wäre so einfach wie genial: Charles Bronson. Mein Rollenvorschlag mag nun zu einem gewissen Maße darauf beruhen, dass ich ein ziemlicher Bronson-Fanboy bin - das gebe ich auch gerne zu - aber auch die Fakten sprechen für Bronson. Dass er diese Rolle eindeutig besser verkörpert, zeigt sich im direkten Vergleich mit Michael Winners Spät-Western CHATOS LAND, der gewissen Parallelen zu KOPFGELD: EIN DOLLAR aufweist.

Darüberhinaus wirkt Reynolds viel zu steif, bringt während Szenen, die tatsächliches schauspielerisches Können verlangen, wenig bis gar keinen Einsatz - mir ist durchaus bewusst, dass auch Bronson kein Meister der Mimik war, brilliert dafür jedoch durch unerreichte Nonchalance - und scheint in den Actionszenen zwar fit aber ein wenig ungelenk.

Auf der anderen Seite überzeugt Nicoletta Machiavelli als nachdenkliches Indianermädchen mit dem gewissen Etwas - das mich bereits während des Films unbewusst an Meiko Kaji und ihre Darstellung in SASORI - SCORPION erinnert hat.

Aldo Sambrell wurde in NAVAJO JOE als Duncan nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal als Bösewicht besetzt - warum, liegt auf der Hand. Als mögen seine Züge nicht schon allein ausreichen, macht er Duncan mit scheinbarer Leichtigkeit zu einer abstoßenden und absolut hassenswerten Figur, die allen voran sich selbst hasst, denn die Welt um ihn herum. Dies schafft eine für einen Western-Bösewicht gar ungewöhnlich tiefschürfende Persönlichkeit und hebt Duncan von allen, selbst von Joe ab.

Der restliche Cast macht derweil weder durch herausragende Leistung noch durch totale Unfähigkeit auf sich aufmerksam, sondern bewegt sich auf durchgehend solidem Niveau - für einen Italowestern, newa -, was ja durchaus auch seinen Wert hat.

Die DVD von Koch Media präsentiert den - in Deutschland erstmals ungekürzten - Hauptfilm in hervorragender - soweit es das Ausgangsmaterial zulässt, versteht sich - Bildqualität und wahlweise deutsch, englischer und italienerischer Tonspur.

Zusätzlich zu einem 32-seitigen Bootleg zwei eigens für diese Veröffentlichung angefertigte, informative - nur aus Interviews bestehende und daher leider etwas eintönige - Featureretten sowie dem englischen und deutschen Originaltrailer.

Navajo Joe Bild 1
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Navajo Joe Bild 3
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FAZIT:

NAVAJO JOE ist ein echter Corbucci - das merkt man die gesamte Laufzeit über. Die düstere Grundstimmung sowie der extravagante - wenn auch nicht an DJANGO heranreichende - Bodycount sind sichere Zeichen, ist doch die für Genre und Entstehungszeit exzessive Gewalt ein Markenzeichen Corbuccis. Um so mehr schmerzen da die technischen Mängel, welche sich im Schnitt offenbaren sowie das inhaltsleere Drehbuch welches seine durchaus ambitionierten Versuche, die übliche Rollenverteilung aufzubrechen und dadurch gleichzeitig gesellschaftskritische Töne anzuschlagen, durch sinnlose und flache Dialoge zu Nichte macht, dem Ganzen so gar eine trashige Note verleiht.
Dass Reynolds weder ein Franco Nero noch ein Charles Bronson ist und somit keinen Ausgleich für mangelnde mimische Fertigkeiten aufweisen kann, kommt erschwerend hinzu.
Trotz dieser Mängel ist NAVAJO JOE im Endeffekt aber doch mehr als der Rohrkrepierer den man nun eventuell erwarten würde, denn trotz des extremen Gegensatzes den die trashigen Dialoge und die düstere Grundstimmung, die sich in einem nicht ganz so glücklichen Happy End entlädt, bilden, entsteht eine Spannung die den Zuschauer bis zum Ende am Bildschirm zu halten vermag und wem das nicht genug ist, der darf sich zusätzlich am gut 80 Mann zählenden Bodycount in größtenteils hübschen Cinemascope-Aufnahmen erfreuen.

In diesem Sinne: "Ich habe noch nie einen Indianer getroffen, der Joe heißt!"

WERTUNG: 6 von 10 unfreiwilligen Kopfverzierungen.
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